Nur der Treppenaufgang ist geblieben: Das Ludwigsburger Rathaus um das Jahr 1880 und heute. Teilnehmer einer Stadtführung erleben viele Damals/Heute-Gegensätze. Foto: Stadtarchiv, Factum/Bach

Anlässlich des 300. Stadtjubiläums präsentiert das Ludwigsburger Archiv in einer neuen Führung eine Vielzahl an Quellen. So erfahren die Teilnehmer zum Beispiel, wie ein Toilettenpapierhersteller den Karneval nach Ludwigsburg gebracht hat.

Ludwigsburg - Wer sich mit Ludwigsburgs Geschichte ein bisschen auskennt, dem ist der Name Hans Klenk ein Begriff. Der Ludwigsburger Unternehmer gründete 1928 in seiner Heimatstadt das Unternehmen Hakle – die Firma, die als erste eine 1000-Blatt-Toilettenpapierrolle anbot. Dass der Unternehmer und Ehrenbürger der Stadt aber auch ein begeisterter Karneval-Anhänger war und nach seinem Umzug nach Mainz den Karneval nach Ludwigsburg gebracht hat, indem er seine Belegschaft mit Sonderzügen in die Barockstadt hat fahren lassen, das wissen wohl die Wenigsten.

Dieses und noch viele weitere Ludwigsburger Aha-Erlebnisse will eine neue Führung des Stadtarchivs bieten, die in diesem Jahr vier Mal angeboten wird. Das Besondere an ihr: Der Teilnehmer bekommt nicht nur Informationen zur Stadtgeschichte, sondern es werden auch historische Dokumente, genauer deren Kopie, an Ort und Stelle präsentiert. So bekommen die Gäste Auszüge aus der „Gassensäuberungsordnung“ von 1774 zu hören, die in Ludwigsburg die Kehrwoche einführte. Oder es werden alte Fotos, beispielsweise von der Solitudestraße gezeigt. Oder Baupläne, beispielsweise vom Stadtbad.

3,5 Kilometer Dokumente lagern im Stadtarchiv

„Wir möchten die Leute einladen, ihre Stadt besser kennenzulernen“, sagt Simon Karzel, der Leiter des Stadtarchivs. Die neue Führung mit dem Titel „Gedächtnistour“ wurde anlässlich des 300-jährigen Bestehens der Stadt konzipiert. Möglich wurde sie, weil die Digitalisierung der Quellenbestände schon so weit fortgeschritten ist, dass man einige Dokumente, Karten, Pläne, Urkunden oder Fotos in Kopie zeigen kann. „Wir wollen die Informationen nicht im Keller bunkern, sondern das Stadtarchiv an die Orte bringen, an denen die Ereignisse passiert sind“, sagt Karzel. 3,5 Kilometer Unterlagen lagern im Stadtarchiv in der Mathildenstraße, nach und nach werden sie je nach Priorität digitalisiert. So werden Filmmaterial auf Zelluloid oder alte Zeitungsberichte beispielsweise vorrangig behandelt, da diese schneller verfallen und unlesbar werden können. Das Präsentieren historischer Quellen an Ort und Stelle hat den Vorteil, dass man den Vergleich zu heute unmittelbar ziehen kann. Etwa bei einem Foto des Rathauses aus dem Jahr 1880, bei dem das heutige oberste Stockwerk fehlt. Bei einem Bild der Solitudestraße aus den 1930er-Jahren ist die Synagoge zu sehen, die 1938 in der Reichspogromnacht zerstört wurde.

Die Führung soll einen Bezug zur Gegenwart herstellen

Der Führer der „Gedächtnistour“ ist Florian Indenbirken. Er hat Kunstgeschichte studiert und schon in mehreren Museen gearbeitet. Seit fünf Jahren führt er als freier Mitarbeiter durch die Stadt. Indenbirken möchte in der neuen Tour nicht Fakten herunterbeten, sondern einen Bezug zur Gegenwart herstellen. „So kann man den Leuten ein Aha-Erlebnis vermitteln“, sagt er. Er sei kein Fan von Führungen, die Anekdote an Anekdote reihen, fügt er an. „Das ist gefährlich, weil oft nicht klar ist, inwiefern das Erzählte auch historisch korrekt ist“, sagt er. Die Führung soll überdies die Vielfältigkeit der Quellen des Stadtarchivs präsentieren. Knapp 13 Themen hat der Rundgang, der rund 90 Minuten dauert und acht Euro je Teilnehmer kostet. Pro Station werden zwei Quellen gezeigt. Kopien historischer Fotos im A3-Format stellen Indenbirken indes vor bislang unbekannte Probleme: „Da muss ich mir noch überlegen, wie ich die mit mir herumtrage.“