Graffiti-Kunst in Feuerbach auf Zeit: Die Nackte auf der Mauer bleibt wahrscheinlich bis April – dann soll das Fabrikgebäude im Schoch-Areal abgerissen werden Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Graffiti-Szene klagt, dass die Stadt ihr zu wenig legale Flächen zur Verfügung stellt. Am Wochenende konnten sich die Künstler im Schoch-Areal in Feuerbach austoben, das demnächst abgerissen wird. Ein Konzept, das Schule machen könnte.

Stuttgart - Es muss nicht immer ein besonders künstlerischer oder gesellschaftskritischer Ansatz sein, auch nicht in der Graffiti-Szene. „Horst“, malt Jan-David Ducks in türkisfarbenen Lettern an die Wand eines alten Fabrikgebäudes, zwei auf drei Meter misst das Kunstwerk. Horst der Name seines Großvaters. „Ich fotografiere das Bild später, dann kann es sich mein Opa an den Kühlschrank hängen“, sagt Ducks.

Er und 14 andere Sprayer haben sich m Schoch-Areal in Feuerbach ausgetobt und dem abrisswürdigen Fabrikgebäude dort einen neuen Anstrich verpasst. Die legale Kunstaktion ermöglicht hat das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung – und damit ein Konzept erprobt, das der Graffiti-Szene auch in Zukunft neue Freiflächen zur Verfügung stellen könnte.

„Wir fanden die Idee der Stuttgarter Jugendhausgesellschaft gut, abrissfällige Gebäude temporär für urbane Kunst zu nutzen“, sagt Martin Holch vom Stadtplanungsamt. Mit Behörden haben die Sprayer nicht immer gute Erfahrungen gemacht. So zögerte sich in der Vergangenheit etwa die Nutzung einer Wand am Zollamt in Bad Cannstatt monatelang heraus, weil die Zuständigkeit für die Leerung des Mülleimers mit den leeren Sprühdosen nicht geklärt werden konnte.

Diesmal scheint es besser zu laufen. Zur Freude der Graffiti-Künstler: „Wir haben in Stuttgart derzeit nur zwei legale Flächen, auf denen wir malen dürfen: Die Hall of Fame an der König-Karls-Brücke und die am Zollamt in Bad Cannstatt – die sind jedoch so überlaufen, dass jedes Kunstwerk in kürzester Zeit übermalt wird“, sagt Ducks.

„Hall of Fame“, so wird in der Szene eine legale Fläche zum Sprühen bezeichnet. „Wir haben in Stuttgart etwa 20 Sanierungsgebiete, in denen in absehbarer Zeit Aktionen wie heute denkbar wären“, sagt Holch, „ich glaube, das Konzept ist ausbaufähig.“ Als nächstes Ziel würde die ehemalige hauswirtschaftliche Schule am Stöckachplatz in Frage kommen. Illegale Graffiti bringen die Kunstform immer wieder in Misskredit. Die Zahl der Delikte war in den letzten Jahren rückläufig, ist von der Polizei zu hören. Das Fabrikgebäude im Schoch-Areal wird im April abgerissen.

Dort soll ein neues Quartier mit den Schwerpunkten Wohnen und Arbeiten entstehen.