Titularorganistin in der Elbphilharmonie: Iveta Apkalna hat einen Arbeitsplatz mit einem extrem hohen Neidfaktor. Foto: Peter Hundert

Eine CD mit Big-Band-Swing und eine mit zeitgenössischer Orgelmusik – da gibt es keine Gemeinsamkeiten. Oder etwa doch? Beide Produktionen sind in der Elbphilharmonie entstanden. Und beide Künstlerinnen – Fola Dada und Iveta Apkalna – haben einen engen Bezug zu Stuttgart.

Stuttgart/Hamburg - Auf den ersten Blick geht da eigentlich nichts zusammen: hier Fola Dada, Tochter eines Nigerianers und einer Deutschen, strubbelköpfige Pop- und Jazzsängerin, fröhlich-zugewandtes Showquecksilber, dem man noch sehr viel mehr Popularität wünschen möchte. Auf der anderen Seite Iveta Apkalna, blond-strenge Lettin, stets akkurat gekämmt und gebürstet, energiegeladener Orgelstar mit internationalen Meriten. Doch nicht nur das Alter der beiden Künstlerinnen ist ähnlich (Dada ist Jahrgang 1977, Apkalna ein Jahr älter), sondern sie haben beide auch einen biografischen Bezug zu Stuttgart. Und: sie haben zeitgleich CDs herausgebracht, die in der Hamburger Elbphilharmonie aufgenommen wurden.

Iveta Apkalna hat in Stuttgart studiert

War Fola Dada mit der bestens aufgelegten SWR Big Band in Hamburg nur zu Gast, so ist Iveta Apkalna dort gewissermaßen daheim: Sie ist die Titularorganistin des Hauses, Herrin also über die 4765 Pfeifen der dortigen Klais-Orgel. Dass sie es einmal weit bringen würde, hatte sich schon Anfang der 2000er Jahre abgezeichnet: Drei Jahre lang studierte sie bei Ludger Lohmann an der Stuttgarter Musikhochschule, veröffentlichte ihr viel beachtetes, in der Johanneskirche aufgenommenes Debütalbum beim Stuttgarter Label Edition Hera und war im Oktober 2004 eine der ersten Künstlerinnen, die an der damals nagelneuen Stiftskirchenorgel konzertieren durften.

Von Kollegen und Kritikern mitunter argwöhnisch beäugt – zum einen wegen ihres gewissen Glamours, der sie seinerzeit sogar in die „Vogue“ brachte, zum anderen, weil sie die Orgel nicht als dezidiert sakrales Instrument sieht –, machte sie ihren Weg. Um sich so die Stelle mit dem extrem hohem Neidfaktor zu erarbeiten.

Doch Iveta Apkalna wäre nicht Iveta Apkalna, wenn sie diesen Karrieresprung für ausgetretene Wege oder gar billige Effekthascherei nutzen würde. So hat sie für das aufwendig gestaltete Hamburger Debutalbum keineswegs Bach oder Reger ausgesucht (schon gar keinen seichten Reißer von Widor), sondern sie versammelt unter dem Titel „Light & dark“ ausschließlich Komponisten des 20. Jahrhunderts. Wohl sind bekannte Namen darunter, Dmitri Schostakowitsch, Leos Janácek, György Ligeti, doch schon die mit ihrem Stück „Hell und Dunkel“ titelgebende Sofia Gubaidulina ist deutlich weniger populär, von Aivars Kalejs, Thierry Escaich und Lucija Garuta ganz zu schweigen.

Mit diesem so tiefsinnigen wie virtuosen Programm zeigt die Organistin, was in ihr und in ihrem Instrument steckt – von der schiebenden, grimmigen Explosivität der Schostakowitsch-Passacaglia aus „Lady Macbeth von Mzensk“ über Ligetis zwei gegensätzlichen Etüden bis hin zu der hymnischen, samtweich registrierten „Meditation“ ihrer lettischen Landsmännin Garuta reicht der Bogen.

Leichtfüßig, fein und spritzig

Wie anders hingegen Fola Dada, gebürtige Korntalerin, diplomierte Jazz- und Popmusikerin, Hochschuldozentin in Stuttgart, Freiburg und Nürnberg und als Frontfrau vor der SWR Big Band unter Pierre Paquette immer wieder ein Glücksfall. Ihr Swing kommt ungeheuer leichtfüßig daher, ganz fein und spritzig, es ist eine Lust, ihr zuzuhören: bei Standards wie „A Tisket a Tasket“ oder „Please don’t talk me when I’m gone“ (klasse hier wie auch anderswo: die diversen Soli der Herren Instrumentalisten) – und nicht zuletzt bei „What a wonderful World“, dem Klassiker, den sie auf ihre Art genauso anrührend hinkriegt wie Iveta Apkalna ihr meditatives Schlussstück. Und siehe, wer sagt es denn? Da ist ja noch eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Produktionen.

Iveta Apkalna Light & dark, CD bzw. 2 LP, erschienen bei Berlin Classics SWR Big Band feat. Fola Dada live at Elbphilharmonie Hamburg, CD, erschienen bei SWR Music