Der Meister der Bluesgitarre kann’s noch immer: Eric Clapton Foto: AP

Er ist 71 Jahre alt und hat schon 22 Alben veröffentlicht. Nun legt der britische Star-Gitarrist Eric Clapton Nummer 23 vor und beweist, dass man sogar zum Thema Gallensteine sehr gute Musik machen kann.

Stuttgart - Fangen wir also mit der Musik an. Was gibt’s zu hören? Sehr reinrassigen, getragenen, staubtrockenen Blues. Nur bisweilen mit etwas Frauengesang unterlegt. Mit einer feinen, teils glasklar tönenden Gitarre, etwa im Stück „Little Man, you’ve had a busy Day“. Gründlich ausformuliert sind diese Lieder, die Hälfte des Albums sind Fünfminüter, das wunderbare „Somebody’s knockin’“ etwa mit der sanft hineinwehenden Hammondorgel und den dezenten, aber überzeugenden Backgroundvocals. Alles von „Mister Slowhand“ gediegen eingespielt, auch wenn man einen kommenden Klassiker à la „Tears in Heaven“, Layla“ oder „Lay down Sally“ gewiss nicht kommen sieht. Hat der Saitenmeister dieses Album nach drei Jahren Pause also aus dem Ärmel geschüttelt?

Nein, denn sie ist auch ein Statement. Wie Clapton „Tears in Heaven“ seinem bei einem tragischen Unfall gestorbenen Sohn widmete, ist „I still do“ nun seiner jüngst verstorbenen Tante gewidmet, die für ihn wie eine zweite Mutter war. Und die vertonte Trauerarbeit geht noch weiter. Der Song „Stones in my Passway“ dreht sich um ein eher seltenes Liedsujet, nämlich Gallensteine. Eric Clapton selbst, mittlerweile auch schon 71, musste die Gallenblase entfernt werden – tja, und schon wird ein Stück daraus.

Ein Altmeister darf auch retrospektiv sein

Aber warum auch nicht. Beweisen muss der knapp zwanzigfache Grammygewinner ohnehin niemandem mehr etwas, und wenn man seiner Musik nicht ohnehin schon seit Jahrzehnten so etwas wie Altersreife bescheinigen müsste, könnte man es spätestens jetzt tun. Aus eigener Feder kommt diesmal nur wenig, lediglich zwei Stücke hat Clapton selbst geschrieben. Der Rest der zwölf Nummern sind Coverversionen, sie stammen unter anderem von seinem großen Vorbild Robert Johnson, seinem langjährigen Spezi J.J. Cale oder von Billie Holliday. Eingespielt wurde alles live, heißt es, mit dem diese Arbeitsweise bevorzugenden Produzenten Glyn Johns. Und aufgenommen wurde analog, noch zwei schöne Grüße an die Vergangenheit.

Ohnehin ist die ganze Musik auf diesem Album eher retrospektiv angelegt, aber ein Altmeister wie Clapton darf das ja auch. Ausfälle gibt es auf diesem, seinem 23. Studioalbum, ebenfalls erwartungsgemäß keine, weswegen man diesem Werk zwar wenig Hitpotenzial, aber große, sehr große handwerkliche Güte attestieren darf. „I still do“ - er macht’s Gott sei Dank noch immer. Eine abermals außerordentliche Leistung des britischen Ausnahmegitarristen.