Daimler präsentierte beim Autosalon in Genf das neue Mercedes-AMG C 43 Cabriolet und kündigte Investitionen an. Foto: dpa

Daimler macht in Sachen Elektromobilität Ernst. Eine halbe Milliarde Euro will der Autokonzern in eine neue Batterieproduktion in Sachsen stecken. Die Wertschöpfung soll nicht nach Asien abwandern.

Genf - Für industriepolitische Entscheidungen ist der Automobilsalon in Genf nicht gerade bekannt. Jedes Jahr finden sich hier Anfang März die Autobauer der Welt ein, um ihre Boliden zu präsentieren. Bugatti-Chef Wolfgang Dürheimer ließ es sich am Dienstag etwa nicht nehmen, den neuen Bugatti Chiron persönlich vorzustellen. Dieser ist das radikalste Geschoss, das die Automobilwelt bislang gesehen hat. Mit seinen 1500 PS ist er gleich stark wie ein Leopard-2-Kampfpanzer. Allerdings ist er um einiges agiler. Die 420 Stundenkilometer Spitze seien nur das theoretische Limit, sagte Dürheimer – weil auf Straßen „nicht mehr zulässig“ sei. Die Kraft, die der 16-Zylinder-Renner entfalte, reiche eigentlich für deutlich mehr.

Die Kraft, die eine andere Entscheidung des Tages entfalten wird, könnte langfristig noch größer sein. Ebenfalls am Dienstag hat Daimler angekündigt, sein Engagement in Sachen Elektromobilität deutlich auszuweiten. Eine halbe Milliarde Euro will der Konzern in den Ausbau der Produktion von Hochleistungsakkus für Elektroautos stecken. Zu diesem Zweck verdreifacht das Unternehmen die Produktionsfläche seiner Tochterfirma Deutsche Accumotive im sächsischen Kamenz östlich von Dresden um das Doppelte. „Leistungsstarke Batterien sind die Schlüsselkomponente für das emissionsfreie Fahren“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche am Rande des Genfer Automobilsalons. Mit der Entscheidung unterstreiche man sein „Engagement für den konsequenten Ausbau der Elektromobilität“.

Die Ankündigung ist ein Richtungsentscheid

Die Ankündigung kann als Richtungsentscheidung gewertet werden, die Fertigung der für viele Bereiche wichtigen Akku-Technik dauerhaft in Deutschland zu halten. Arbeitnehmervertreter, Experten und Politiker hatten das seit langem gefordert.

Hintergrund ist ein Paradigmenwechsel, der sich bereits seit einigen Jahren im Automobilgeschäft abzeichnet. Verbrennungsmotoren werden durch Mischantriebe – sogenannte Hybride – oder reine Elektroautos ersetzt. Die Bundesregierung plant, bis zum Jahr 2020 eine Million dieser Fahrzeuge auf die deutschen Straßen zu bringen. Nach Jahren der Stagnation wächst der Markt für die Elektro-Surrer seit dem Jahr 2011 rasant. Nach einer Analyse des Ulmer Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg (ZSW) ist der Bestand an Elektrofahrzeugen weltweit seit 2011 jährlich um mindestens 70 Prozent angestiegen – freilich von einer bislang geringen Basis. Nach ZSW-Daten fuhren Ende 2015 weltweit etwa 1,3 Millionen Autos mit Elektroantrieb. Im Jahr zuvor waren es nur 750 000 E-Vis, wie Fachleute die surrenden Flitzer liebevoll nennen. Zum Vergleich: Allein in Deutschland sind insgesamt rund 42 Millionen Fahrzeuge zugelassen.

Hierzulande liegt man bei der Zukunftstechnologie nur im Mittelfeld – dabei .hängt jeder siebte Arbeitsplatz direkt oder indirekt am Autosektor. Es „rieche nach Diesel“, beschrieb der Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer jüngst das Problem. Die Branche sei „übermäßig stark“ vom Selbstzünder abhängig. Bei reinen Elektrofahrzeugen machten laut einer Studie des Center Automotive Research mit wenigen Ausnahmen nichteuropäische Autobauer das Rennen. ZSW-Daten stützen diese Einschätzung. Das meistverkaufte Elektroauto der Welt ist der Nissan Leaf, gefolgt vom Sportwagen Tesla Modell S und vom Chevrolet Volt. In der Liste der meistverkauften Öko-Surrer findet sich als bestplatziertes deutsches Fahrzeug der i3 von BMW auf Platz sieben.

Deutsche Autobauer sind auf Aufholjagd

Allerdings sind die deutschen Autobauer aufgewacht. Mitte September kündigte Audi auf der Frankfurter IAA einen „Tesla-Jäger“ an – einen sportlichen Geländewagen mit reinrassigem Elektroantrieb, der dem kalifornischen Konkurrenten die Rücklichter zeigen soll. Mit dem i8 hat BMW einen stark elektrisierten Sportwagen im Programm, und Porsche arbeitet unter dem Kürzel Mission E an einem komplett stromgetriebenen Supersportler, der in Zuffenhausen vom Band laufen soll. Der designierte Daimler-Forschungsvorstand Ola Källenius sagte am Dienstag in Genf, ein eigener „Tesla-Jäger“ sei nur noch eine Frage der Zeit. „Wir brauchen so etwas“, so Källenius.

Tatsächlich erhöht der Daimler-Konzern, der jahrelang auch stark auf Brennstoffzellenantriebe gesetzt hatte, nun auch beim Thema Elektromobilität die Taktzahl. „Bis Ende 2017“ werde man zehn Hybridmodelle mit zuschaltbaren Elektromotoren im Programm haben, sagte Zetsche. Das sei das breiteste Angebot eines Premium-Herstellers in diesem Bereich. Die neue Akku-Fertigung, die im Sommer 2017 in Kamenz ihren Betrieb aufnehmen soll, soll die Basis des künftigen Wachstums schaffen. Dabei handelt es sich aber nicht um die Fertigung der puren Akku-Zellen. In diesem Geschäft existieren weltweit große Überkapazitäten. Die einzige deutsche Zellfabrik – Litec aus Kamenz –, die Daimler mehrere Jahre mit dem Mischkonzern Evonik betrieben hatte, wurde daher vor kurzem geschlossen.

Akku-Forschung ist in Nabern gebündelt

Die jetzt am selben Standort forcierte Akku-Systemproduktion soll dieses Schicksal nicht ereilen. Anders als bei den reinen Zellen handle es sich bei der Produktion ganzer Akku-Einheiten um „extrem komplexe Systeme“, die eine sehr hohe „Batteriekompetenz“ in der Fertigung voraussetze, sagte Källenius. Außerdem ergebe sich durch die Fertigung in Deutschland ein „logistischer Vorteil“ beim Einbau in die Endprodukte, der Daimler zugutekomme. Nicht zuletzt wird auch Baden-Württemberg vom Ausbau der Akku-Fertigung im sächsischen Kamenz profitieren. Die Akku-Forschung hat Daimler in Baden-Württemberg gebündelt – in Nabern nahe Stuttgart.