Die neue Schau im Gerlinger Stadtmuseum beschäftigt sich mit Menschen und dem, was für sie Heimat ist. Die ist nicht nur an einem Ort. Vernissage ist am Sonntag, 2. April 2017.
Gerlingen - In Gerlingen leben fast 20 000 Menschen – aber nicht alle haben hier ihre familiären Wurzeln. Weit mehr als 10 000 Einwohner sind hinzugekommen seit der Zeit, als Gerlingen noch ein Bauern- und Weingärtnerdorf war. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen Hunderte Familien, die aus Ungarn und anderswo vertrieben wurden. Mit ihnen und durch sie wurde Gerlingen zur Stadt. Es gibt aber noch zahllose andere Leute, für die die Stadt zur neuen Heimat wurde. Damit sind nicht nur die Flüchtlinge gemeint, die jetzt in Gerlingen ansässig sind. Heimat und alles, was damit zusammenhängt, ist das Thema der neuen Ausstellung im Stadtmuseum, die am kommenden Sonntag, 2. April, eröffnet wird.
Es ist eine Arbeit in empirischer Kulturwissenschaft in reinstem Stil, welche die Museumsleiterin Catharina Raible zusammen mit vielen Mitarbeitern, an erster Stelle Moritz Herrscher, erstellt hat. Die Basis bildete die Veranstaltungsreihe „face to face – Heimat hat viele Gesichter“, die im vergangenen September in Gerlingen stattfand. Neun Partner hatte das Projekt, alle haben sich auch an der Ausstellung beteiligt – vom Heimatverein über den Arbeitskreis Asyl bis zum Petruskindergarten, dem Weltladen oder den Freitagsmalern.
Auch Einzelne schildern ihre Auffassung von Heimat
Es sind nicht nur Gruppen, die in der Stadt aktiv sind, sondern auch Einzelne. Auf mehreren Tafeln haben die Ausstellungsmacher die Statements und Fotos von rund zwei Dutzend Menschen zusammengestellt – nicht nur das eine Fleißarbeit. Eine Stellungnahme ist auch im Original in chinesischer Schrift abgedruckt: Der Text stammt von Sze Ming Wong, Praktikantin im Museum. Sie schreibt: „Heimat ist ein Platz, an dem ich mich wohlfühle und mich entspannen kann. Heimat vermisst man täglich.“ Sabine Wacker, die Lehrerin ist und Stadtführungen in Mundart macht („Schwäbische Hausfrau“), schreibt unter anderem: „Ich habe mehrere Heimatorte, denn mein Elternhaus steht in Stuttgart.“ Auch Ahmed K. Habasch ist vertreten. Er kam vor 40 Jahren aus Syrien nach Gerlingen und arbeitete für die Firma Bosch. Insgesamt haben sich laut Raible rund 150 Menschen eingebracht.
Fluchtwege als emotionales Thema
Ein sehr emotionales Thema sind die Wege von Flüchtlingen nach Gerlingen, die beschrieben und auf einer Karte eingezeichnet sind. Prominente sind ebenfalls vertreten, nicht nur der Fanta-Vier-Texter Smudo, der als Michael Bernd Schmidt geboren wurde, in Paderborn aufwuchs, in Gerlingen Abitur machte und mit dem Ditzinger Thomas Dürr die Erfolgsband Die Fantastischen Vier gründete.
Heimat betrifft jeden – das wird in der Ausstellung deutlich, in der auch persönliche Gegenstände wie Koffer, Strampelanzug oder ein Gebetsbuch aus Ungarn zu sehen sind. „Bei der Frage nach der Heimat haben die meisten Menschen die Begriffe Familie und Freunde genannt“, berichtet Raible über die Phase der Forschung zur Ausstellung. Heimat ist in Gerlingen also weit mehr als Petruskirche, Ackerboden (von dem ein winziges Stück ausgestellt ist) und Schiller. Mit diesem, beziehungsweise der Büste vor dem Haus, können sich Besucher am Vernissagentag und zu den weiteren Öffnungszeiten ablichten lassen. Mit den Fotos, die dann das Mobile im Treppenhaus ergänzen, soll weitere Vielfalt demonstriert werden. So wird jeder Museumsbesucher ein Teil der Ausstellung.