Der Verein Schutzbauten Stuttgart bereitet im Tiefbunker eine neue Ausstellung zum Thema Kalter Krieg vor.
Feuerbach - Im Tiefbunker Feuerbach steht derzeit eine alte Jukebox. Wie können heiße Rhythmen Teil der Ausstellung „Kalter Krieg“ werden? Das erschließt sich nicht sofort. Auf den zweiten Blick allerdings schon. Denn mancher Rockmusiker von damals beschäftigte sich in seinen Texten mit den Folgen der todbringenden Bombe.
So wurde eine Platte von Bill Haley & His Comets zu einem Exponat der aktuellen Ausstellung. Auf einer seiner Singles befindet sich das in Vergessenheit geratene Stück „Thirteen Women (And Only One Man In Town)“ auf der B-Seite. Die Komposition sei ursprünglich für die A-Seite von „Rock Around The Clock“ gedacht gewesen, sagt Rolf Zielfleisch, Vorsitzender des Vereins Schutzbauten Stuttgart.
Bill Haley singt in dem Lied darüber, wie ein einziger Mann nach einem Atomschlag das postnukleare Inferno überlebt. Fortan kümmern sich 13 Frauen, die ebenfalls den Atomschlag unbeschadet überstehen, rund um die Uhr um ihn. Die machohafte Männerfantasie wirkt aus heutiger Sicht reichlich verpeilt und verstrahlt. Doch was war in Zeiten des Kalten Krieges schon normal? Schließlich herrschte auch hierzulande in den 1950er und 1960er Jahre eine Mischung aus Panikmache und Verharmlosung. Der Ost-West-Konflikt, die atomare Aufrüstung, Spionage und die allgegenwärtige Angst vor der nuklearen Katastrophe lieferten den passenden politischen Hintergrund für Actionfilme wie „Der Spion, der aus der Kälte kam“ oder „Liebesgrüße aus Moskau“ und „Jagd auf roter Oktober“.
Spinnerte Schurken aus dem Reich des Bösen
Von den damaligen James-Bond-Filmen bis zum ironischen Kontrastprogramm „Mit Schirm, Charme und Melone“ mit den Serienhelden John Steed und der Karatefrau Emma Peel war das Handlungsschema stets dasselbe: Spinnerte Schurken aus dem Reich des Bösen wurden am laufenden Band zur Strecke gebracht.
„Das waren propagandistisch geprägte Filme. Das Gute kam aus dem Westen, das Böse aus dem Osten“, so Zielfleisch. Auch Comics zum Kalten Krieg haben die Ausstellungsmacher gesammelt, aber auch ernsthafte Literatur wie „Die Rättin“ von Günter Grass oder „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt. Einige Skurrilitäten sind in der neuesten Ausstellung des Vereins Schutzbauten auch zu sehen. Wer weiß schon, dass die ganz normalen orangefarbenen Notrufsäulen an Autobahnen irgendwo an der Seite Buchsen und Zugänge haben, in die Fernmelder ihre Feldtelefone einstöpseln können. Oder dass es lange Zeit an westdeutschen Brücken Hinweisschilder für Panzerfahrer und Lenker anderer Militärfahrzeuge gab. Darauf stand, für welches Maximalgewicht das jeweilige Bauwerk ausgelegt war.
Gasmasken baumeln von der Bunkerdecke
In einem anderen Ausstellungsraum baumeln helle Gasmasken von der Bunkerdecke. „Sie wurden extra für den Fall eines Atombombenabwurfs entwickelt. Um besseren Schutz zu bieten, sind sie weiß gestaltet, weil diese Farbe die Hitze nicht so aufnimmt“, berichtet Zielfleisch. Der Glaube, die Folgen eines Nuklearangriffs wären beherrschbar, bestimmten den Zeitgeist. Die Masken seien ungefähr in eine ähnliche Kategorie einzuordnen, wie der damals in Lehrfilmen gezeigte Tipp, sich „im Ernstfall eine Zeitung über den Kopf zu halten als Schutz gegen die Strahlung“, meint der Vereinsvorsitzende.
Ein kurioses Beispiel, wie groß das gegenseitige Misstrauen zwischen BRD und DDR war, liefert auch das Thema Ersatzwährung im Kalten Krieg. „Die Angst war groß, dass die Russen die westdeutsche Wirtschaft mit Falschgeld überschwemmen, um so das hiesige System zu unterwandern und zu destabilisieren“, sagt Zielfleisch. Also ließ die Bundesbank in größeren Mengen Geld in zwei Ersatzwährungen drucken. Eine Serie wurde in Westberlin in Reserve gehalten, eine weitere lagerte für den Rest der Bundesrepublik in einem Tresor in Cochem an der Mosel. Die damaligen Ersatz-D-Mark-Scheine zierten zwar die gleichen Porträts und berühmten Gesichter wie die üblichen Banknoten. Aber ansonsten waren die Scheine völlig anders gestaltet: „Insgesamt wurden 27 Milliarden DM-Mark als Reserve gedruckt.“ Vernichtet wurden diese riesigen Notgeldbestände erst im Jahr 1989, ohne dass sie je als Zahlungsmittel zum Einsatz gekommen wären.