Ordnung hat einst in der Schule geherrscht – das versucht Regine Schaupp karikierend in Erinnerung zu rufen. Foto: factum/Granville

Im Heimatmuseum hält moderne Kunst Einzug – zwischen bäuerlichen Gerätschaften und weiteren Zeugnissen der alten Dorfstruktur. Aus dem Versuch im vergangenen Jahr ist eine zweite Ausstellung geworden, und eine Serie soll es werden.

Korntal-Münchingen - Große Bilder mit großen Farbflächen an einer Wand, am anderen Ende des Raumes viele kleine quadratische Collagen mit Personen-Motiven. Schwämmchen mit Gesichtspartien von Kindern und Jugendlichen liegen auf alten Schulbänken, daneben Bilder mit vielerlei Schwingungsmustern, dahinter an der Wand hängt ein über 100 Jahre altes Klassenfoto. Alles Bestandteile der neuen Ausstellung im Münchinger Heimatmuseum. „Ordnung“ heißt sie – und Ordnung herrscht auch innerhalb der Schau.

„Ich hätte sie eigentlich gerne ,Unordnung’ genannt“, sagt die Museumsleitern Sabine Rathgeb. Die beiden Künstlerinnen, die jetzt temporär mit ihren Werken Einzug gehalten haben zwischen Getreidesack, Schulbänken und Leichenwagen, teilen sich den Raum auf, in dem der Hauptteil der Ausstellung zu sehen ist. Regine Schaupp arbeitet im kleinen Format, Leni Marx eher im größeren. Sie wolle „den Ort der Tradition öffnen“, deutet Rathgeb ihr Motiv an . „Hier ist Ordnung verortet“, sagt Leni Marx. Sie meint damit das alte Schulhaus und seine Umgebung, Kirche und Rathaus. „Da war die dörfliche Ordnung.“ Auf diesem Areal sei die Trennungslinie verlaufen zwischen den Gebieten der reichen Bauern und den Orten der Armen. Sie habe den Künstlerinnen „die komplette Freiheit gelassen“, berichtet Rathgeb vom Konzept der Ausstellung. Die Integration der temporären in die Dauerausstellung sei gut gelungen beispielsweise mit den Bildern und den Schwämmchen auf den alten Schulbänken.

Erinnerungen an den Leichenwagen

Leni Marx hat auch schwere Erinnerungen zu tragen: Eines ihrer Bilder hängt in einem zweiten Raum – neben dem Leichenwagen, der früher pferdebespannt die Toten zum Friedhof gebracht hat. Es ist wie der schwarz bemalte Wagen in schweren dunklen Farben gehalten, ein ganz dunkles Blau mit senkrechten Strichen. Quer durch den Raum zieht es den Blick des Betrachters auf sich – und verändert die Wahrnehmung der Gegenstände im Zimmer. Zum ersten Mal musste sie als Kind hinter dem Wagen hergehen, erinnert sich die in Münchingen aufgewachsene Leni Marx. „Meine Oma ist gestorben, als ich fünf war.“ Beim Leichenzug habe Ordnung geherrscht: „Zuerst der Polizist, dann der Wagen mit dem Sarg und den beiden schwarzen Pferden, dann der Pfarrer, der Ehepartner, die Kinder, die Enkel und Cousinen.“ Man braucht keinen alten Schwarz-Weiß-Film mehr, wenn die 70-Jährige das alles erzählt. Und dann versteht man auch, warum viele ihrer Bilder so schwer sind.

Menschenabbilder in Collagen

In jedem Bild von Regine Schaupp ist ein Foto eines Menschen mit verarbeitet, bis hin zu den teils unscharfen Ausschnitten aus Kindergesichtern auf den Schwämmchen. Diese Collagen „spielen assoziativ mit Ornamenten, Mustern, Strukturen und Versatzstücken“, erklärt Schaupp. So entstünden Wechselbeziehungen. Und der Betrachter könne sich vielleicht ein wenig in die Kinder hineinversetzen, die vor fast 130 Jahren in diesen Bänken gesessen haben. Im Kontrast dazu steht das ganz konkrete alte Klassenfoto – zu dem Sabine Rathgeb fast nichts weiß. Es würde sie sehr freuen, wenn einer der Besucher ihr helfen könne. Die treffen eine spannende Schau an, die das Heimatmuseum im neuen Licht erscheinen lässt.

Termin
Die Schau „Ordnung“ wird an diesem Freitag, 13. Mai, um 19 Uhr im Widdumhof eröffnet. Die Künstlerinnen sind anwesend, es spielen die Musiker Mohhammed Al-Schihabi (Aleppo) und Husam Dagher (Homs). Zu sehen ist die Schau bis 5. Juni dienstags 15 bis 18 Uhr und sonntags 11 bis 12 und 14 bis 17 Uhr.