Eine neue Ausstellung wird aufgebaut: In der Böblinger Zehntscheuer sind von Sonntag an Graffiti zu sehen. Foto: factum/Granville

Im Bauernkriegsmuseum sind äußerst politische Arbeiten von jungen Menschen zu sehen. Ihre großformatigen Werke haben sie speziell für diese Ausstellung geschaffen. Sie ist die Fortsetzung eines erfolgreichen Projekts.

Böblingen - Für Nariman steht der Krieg im Mittelpunkt: „Ohne Waffen“ hat sie in das Zentrum ihrer Leinwand gesprayt. Die 32-Jährige ist vor fünf Jahren aus Syrien nach Deutschland geflohen. Ihr Graffito mit deutschen und arabischen Schriftzügen ist ihre Antwort auf die Frage, was sie sich unter Freiheit vorstellt. Denn diese Frage hat das Böblinger Bauernkriegsmuseum 15 jungen Menschen gestellt. Die Ergebnisse sind von Sonntag, 24. Juli, an in einer Ausstellung in der Zehntscheuer zu sehen. „Freiheit als großes Bauernkriegsthema ist immerwährend präsent“, sagt die Museumsleiterin Cornelia Wenzel – und hat es mit einer Graffiti-Aktion auf die Gegenwart übertragen.

Zweite Auflage des Kunstprojekts für Sprayer

„Freiheit – großgeschrieben?“ lautet der Titel des Projekts, das eigentlich eine Fortsetzung ist. Bereits vor sechs Jahren haben junge Künstler für das Bauernkriegsmuseum mit Spraydosen ihre Gedanken zu dem Thema auf Leinwände gebracht. Damals lag die deutsche Wiedervereinigung 20 Jahre zurück, und die Mauer galt als größtes zusammenhängendes Graffitikunstwerk. Auch die Sprayer würden Freiheiten durchbrechen, indem sie fremdes Eigentum beschmierten, erklärt Wenzel das Konzept. Die Künstler griffen im Jahr 2010 vor allem die zunehmende Überwachung der Bevölkerung auf. „Big Brother is watching you“, heißt eines der Werke: Patrick und Junek zeigen darauf einen Mann mit Hund, die beide statt Köpfen Kameras haben. „Entgegen den Annahmen ist es eine sehr gute Ausstellung geworden“, bilanziert die Museumsleiterin den damaligen Auftakt des Projekts, der neues Publikum in das Bauernmuseum brachte.

Für das „Graffiti.Projekt 2.0“ haben sich die Teilnehmer im Mai in der alten Tüv-Halle getroffen. Der Jugendsozialarbeiter Maximilian Frank hatte sie zusammengetrommelt. Im Kreis Böblingen gebe es für Sprayer nicht viele Möglichkeiten, sich künstlerisch zu verewigen, erklärt er: „So eine Ausstellung ist schön, das ist eine Möglichkeit, diese Subkultur zu präsentieren.“ Sprayer im Alter zwischen neun und 38 Jahren haben sich an der Aktion beteiligt. „Frei?!“ hat Nora, die jüngste Teilnehmerin mit Hilfe ihrer Mutter in großen Buchstaben auf ihr Bild geschrieben. Der Himmel im Hintergrund ist blutrot, Totenschädel liegen auf dem Boden, die Silhouette einer zerstörten Stadt ist zu sehen. Beim Jugendsozialarbeiter Maximilian Frank, der ebenfalls ein Bild beigesteuert hat, taucht die Mauer wieder auf. Sie hat lauter Einschusslöcher, ist zerstört, eine Familie steht dahinter und ein Soldat mit einem Maschinengewehr. „Heimat“ lautet der Schriftzug auf der Mauer.

Die kriege auf der Welt sind das Problem

Der Themenwechsel ist offensichtlich: Es ist nicht mehr der Staat, der in den Graffiti die Freiheit einschränkt, sondern es sind die Kriege auf der Welt . „Das Meer der Hoffnung?“ lautet der Titel eines fast gemalt wirkenden Graffito aus blauem Meer und Sonnenschein. Schwarze Ecken und Kanten ragen allerdings hinein – und in der Mitte treibt ein Kind. Das größte Werk stammt von Lukas, Marvin, Alex und Benedikt. Unter dem Titel „Gegen Extremismus“ haben sie den durch die Flüchtlingsströme ausgelösten Rechtsruck in der Gesellschaft aufgegriffen. Ein Neonazi mit Glatzkopf, blauem Auge und Stoppelbart hält ein Plakat in der Hand, „Wier sint daß Folk“ steht darauf. An der Wand daneben hängt das Äquivalent aus dem Jahr 2010 mit dem richtig geschriebenen Spruch.

Das italienische Wort Graffiti könnte man mit Kratzeleien übersetzen. Die Bilder im Bauernkriegsmuseum sind aber keine oberflächlichen Schmierereien. Sie gehen den Grenzen der Freiheit auf den Grund.