Linke in Aktion: Die Hausbesetzung von Heslach hat ein Nachspiel Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Einem Paar aus dem wochenlangen besetzten Haus in Heslach wurde vom Vermieter fristlos gekündigt. Begründung: Es soll die Besetzer unterstützt haben. Empörung darüber in der linken Szene, aber zumindest gegen die gekündigte Mieterin wird in der Tat ermittelt.

Stuttgart - Neuer Ärger in der Wilhelm-Raabe-Straße 4. Die Eigentümer des Hauses in Stuttgart-Heslach haben den Mietvertrag einer Familie mit kleinem Kind offenbar fristlos gekündigt. Begründung: Das Paar habe die vierwöchige Besetzung zweier Wohnungen im Mai durch die linke Szene mit initiiert, zumindest aber unterstützt. Bis zum 4. Juli soll die Familie aus der Wohnung ausziehen, in der sie seit Ende 2012 lebt.

Ex-Besetzer veröffentlichen Kündigungsschreiben

Die ehemaligen Besetzer, die in der Nacht zum Dienstag per Mail das Kündigungsschreiben veröffentlichten, reagierten empört. Das Paar solle nur dafür bestraft werden, dass es seine Meinung kundgetan habe, hieß es. Wie in der ganzen Stuttgarter Bevölkerung habe die Besetzung auch im betroffenen Haus großen Zuspruch gefunden. „Dafür scheinen sich die Eigentümer nun revanchieren zu wollen“, heißt es in dem Schreiben des „Ex-BesetzerInnenkollektivs“.

Vermieter sehen eine Straftat

Die Vermieter – ein deutsch-französisches Paar, das derzeit in London lebt – stellen die Dinge anders dar. Laut ihrem Heilbronner Anwalt haben die nun gekündigten Mieter den Besetzern Ende April Zugang zu den seit Jahren leer stehenden Wohnungen verschafft und die Aktion anschließend massiv unterstützt. Strafrechtlich stelle dies eine Beihilfe zum Hausfriedensbruch dar.

Ermittlungen gegen Mieterin

Unterstützt wird diese Sicht der Dinge durch eine interne Einschätzung des Verfassungsschutzes, die unsere Zeitung während der Besetzung öffentlich machte. Demnach sind nicht nur fast alle ehemaligen Besetzer Teil der linksextremistischen Szene in Stuttgart, sondern auch das Paar, das seit Jahren bereits im Haus wohnt. Beide seien „führende Personen“ der Szene, heißt es in dem Vermerk. Es sei daher davon auszugehen, dass die beiden ihre Gesinnungsgenossen „auf die Situation im Haus aufmerksam gemacht und den Aktivisten bei der Besetzung geholfen haben“, so die Einschätzung des Verfassungsschutzes.

Polizisten beleidigt?

Auch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft vermutet, dass zumindest die nun gekündigte Mieterin die Hausbesetzung maßgeblich mit eingefädelt hat. Die Frau zähle zum Kreis der Beschuldigten, erklärte der Sprecher der Behörde auf Anfrage. Die Frau hatte im Jahr 2007 bundesweite Berühmtheit erlangt, als sie versuchte, auf einer öffentlichen Veranstaltung dem damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) eine Torte ins Gesicht zu werfen. Ihr Partner ist laut informierten Kreisen wegen diverser Delikte bereits dreizehnmal rechtskräftig verurteilt worden. Er soll zudem in der Nacht nach der Zwangsräumung der beiden Wohnungen mit seinem Kind auf dem Arm zwei Polizisten als „Drecksmenschen“ und „Arschlöcher“ beleidigt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Paar nimmt sich Anwalt

Aus Sicht der ehemaligen Besetzer hingegen soll hier von „Spekulanten“ ein Exempel statuiert und eine kleine Familie mit Kind auf die Straße gesetzt werden. „Sie sollen nach dem Willen der Eigentümer innerhalb von zwei Wochen auf dem katastrophalen Stuttgarter Wohnungsmarkt eine neue Bleibe finden und umziehen“, empört sich das Kollektiv, das von einem Aktionsbündnis „Recht auf Wohnen“ sowie von linksgerichteten Stadträten unterstützt wird.

Zum 4. Juli wird die Familie das Haus aber wohl nicht verlassen müssen. „Die Familie wird die Kündigung nicht akzeptieren, sondern hat einen Anwalt eingeschaltet und Widerspruch eingelegt“, erklärten die ehemaligen Hausbesetzer in ihrer Mitteilung.

Weniger Leerstand als behauptet

Die Hausbesetzer hatten ihre Aktion unter anderem damit begründet, dass in Stuttgart rund 11 000 Wohnungen leer stünden – mutmaßlich zum Teil in Besitz von Spekulanten. Laut den Statistikern der Stadt stehen derzeit aber – vor allem durch Umzüge – tatsächlich nur rund 3000 Wohnungen leer und damit weniger als ein Prozent des Bestandes. Für einen funktionierenden Wohnungsmarkt sei das eher zu wenig, heißt es, die Zahl deute auf eine zu geringe Fluktuation hin.

Stadt beobachtet den Fall

Das Haus in Heslach hat fünf Wohnungen. Zwei davon standen jahrelang leer, weil eine Erbengemeinschaft sich offenbar nicht einigen konnte. Im April wurde das Haus dann an die neuen Eigentümer aus London verkauft. Nach der Hausbesetzung versprachen sie der Stadt, die leer stehenden Wohnungen möglichst rasch zu renovieren und dann wieder zu vermieten – vermutlich gegen Ende des Jahres. Die Stadt will darauf ein Auge haben und notfalls, sollte die Wiedervermietung unnötig lange dauern, gegen die Eigentümer wegen des Leerstands vorgehen.