Dem Timoschenko-Vertrauter Alexander Turtschinow wurden vorübergehend die Vollmachten des Staatschefs übertragen. Foto: dpa

In der Ukraine sitzen die Gegner des abgesetzten Präsidenten Janukowitsch jetzt an den Schalthebeln der Macht. Mit großem Tempo krempelt die Opposition das politische System um. Eine Schlüsselrolle spielt die aus der Haft entlassene Julia Timoschenko.

In der Ukraine sitzen die Gegner des abgesetzten Präsidenten Janukowitsch jetzt an den Schalthebeln der Macht. Mit großem Tempo krempelt die Opposition das politische System um. Eine Schlüsselrolle spielt die aus der Haft entlassene Julia Timoschenko.

Kiew - Nach der Machtübernahme in der krisengeschüttelten Ukraine besetzt die bisherige Opposition rasch alle wichtigen Posten.

Das Parlament in Kiew bestimmte seinen neuen Chef Alexander Turtschinow zugleich zum Übergangspräsidenten. Die Abgeordneten votierten dafür, dem Vertrauten von Oppositionsführerin Julia Timoschenko vorübergehend die Vollmachten des Staatschefs zu übertragen.

Das Parlament hatte bereits Präsidentenwahlen für den 25. Mai angesetzt. Dann will auch Timoschenko kandidieren. Der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko hatte schon vor Monaten seine Bewerbung angekündigt. Der abgesetzte Staatschef Viktor Janukowitsch hat jedoch bisher nicht seinen Rücktritt erklärt.

Turtschinow rief die Parlamentarier zudem dazu auf, sich bis diesen Dienstag auf ein "Kabinett des nationalen Vertrauens" sowie eine Koalition zu einigen.

Der Abgeordnete Nikolai Tomenko von der Partei der Oppositionsführerin Julia Timoschenko kündigte an, die Oberste Rada wolle noch am Sonntag einen neuen Regierungschef wählen. Timoschenko, die bereits zweimal das Amt ausgeübt hatte, sei ebenso eine Kandidatin wie ihr Fraktionschef Arseni Jazenjuk, sagte Tomenko bei der live im Fernsehen übertragenen Sitzung.

Timoschenko war am Vortag nach rund zweieinhalb Jahren aus ihrer umstrittenen Haft entlassen worden. Nur Stunden später hielt die erkrankte Politikerin eine emotionale Rede vor mehr als 100 000 Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew. Sie saß dabei im Rollstuhl.

Wo sich Janukowitsch aufhält, war weiter unklar. Die bisherige Regierungspartei machte den abgesetzten Präsidenten und seine engsten Vertrauten in einer Mitteilung persönlich für die Lage im Land verantwortlich.

Awakow sagte, 64 bei den Protesten festgenommene Regierungsgegner seien auf freien Fuß gesetzt worden. Drei weitere würden vermutlich nach Gerichtsentscheidungen an diesem Montag entlassen. Zudem habe er interne Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs gegen 30 Mitglieder seiner Behörde einleiten lassen, sagte Awakow. Dabei gehe es um ihre Rolle bei den blutigen Straßenkämpfen zwischen Sicherheitskräften und Regierungsgegnern in Kiew, bei denen mindestens 82 Menschen getötet worden waren.

Der bisherige Regierungschef Nikolai Asarow war Ende Januar auf Druck der Opposition zurückgetreten. Seine Minister waren seither nur noch kommissarisch im Amt. Sie wurden am Sonntag offiziell vom Parlament gefeuert. Die Regierungsgegner hatten in der Nacht zu Samstag die Kontrolle in Kiew übernommen.

IWF will Ukraine unterstützen

In einem weiteren Antrag wollten die Parlamentarier später ein Verbot der bisher regierenden Partei der Regionen von Janukowitsch sowie der verbündeten Kommunisten diskutieren.

In Kiew war die Lage ruhig. Mit Patrouillen bewachte die Opposition weiter die Barrikaden am Maidan.

Der Internationale Währungsfonds IWF zeigte sich bereit, das nahezu bankrotte Land zu unterstützen. "Wenn die ukrainischen Behörden sich an den IWF wenden, sei es mit der Bitte um Beratung, sei es wegen Diskussionen über finanzielle Hilfen, gekoppelt an Wirtschaftsreformen, stehen wir selbstverständlich bereit", sagte IWF-Chefin Christine Lagarde beim Treffen der G20-Finanzminister in Sydney. Nötig seien aber legitimierte Gesprächspartner.

Auf frisches Geld aus Russland muss die Ukraine hingegen weiter warten. Der russische Finanzminister Anton Siluanow bekräftigte einmal mehr, dass Moskau zunächst die Regierungsbildung abwarten wolle, bis es von Kremlchef Wladimir Putin zugesagte Milliardenhilfen weiter auszahle.

Janukowitsch hatte Ende November auf Druck Russlands ein historisches Abkommen mit der EU über engere Zusammenarbeit auf Eis gelegt - der Auslöser für die Proteste, die schließlich zu seinem Sturz führten.