Die Gebäude für die Unterbringung von Flüchtlingen (links und Mitte) müssen weg, erst dann kann die Waldorfschule wachsen. Foto: Stoppel

Zunächst müssen die Flüchtlingsunterkünfte auf dem Areal abgerissen werden. Dann kann die Waldorfschule Backnang einen millionenschweren Erweiterungsbau angehen. Die Stadt überlässt dem Schulverein das Grundstück.

Backnang - Unsere Schule platzt aus allen Nähten“, sagt die Zehntklässlerin Hannah Enders. „Wir brauchen unbedingt mehr Räume für die Oberstufe“, erklärt ihre Mitschülerin Klara Koksch. Und auch die beiden Zwölftklässler Tobias Hoschek und Michael Onneken sowie Maximilian Wöllhaf und sein Kumpel Nils Wenzel aus der Neunten sind sich einig: Ihre Waldorfschule in Backnang benötigt dringend mehr Platz. Die Schüler streiten allenfalls über diese Frage: Sind zusätzliche Räume für den naturwissenschaftlichen Unterricht oder eine Sporthalle vorrangig?

Nils zum Beispiel sagt: „Klassenräume sind wichtiger.“ Er weiß aber auch, dass viel Zeit verloren geht mit dem Hin- und Herfahren zum Sportunterricht in der angemieteten Halle im Stadtteil Steinbach. Tobias berichtet, dass in den derzeit beengten Verhältnissen nie alle Schüler im Physik- oder Chemieunterricht die Experimente beobachten könnten. Die Zimmer seien schlicht zu klein, das Gedränge zu groß. Die Schüler erzählen, dass der Eurythmie-Unterricht mitunter im Zeichensaal stattfinde, dann müsse der Malunterricht verschoben werden. Gelegentlich müsse die Musikklasse in einen anderen Raum ausweihen, weil dieser belegt sei. Ständig werde improvisiert.

Die Lehre von Rudolf Steiner

Platzmangel gehört seit jeher zur Backnanger Waldorfschule, fast wie die Lehre von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie. Die Schule ist seit ihrer Gründung vor knapp 25 Jahren mehrmals umgezogen. Angefangen hat alles in Sulzbach-Bartenbach mit einer Handvoll Kindern. Dann hat sich die Schule ins Bandhaus auf dem Stiftshof einquartiert. Später wurden die Schüler im einstigen Verwaltungsgebäude der alten Spinnerei Adolff unterrichtet. Vor zwölf Jahren wurde schließlich das Gebäude an der Hohenheimer Straße auf der Maubacher Höhe bezogen. Und von Anfang an sei eigentlich klar gewesen, dass auch das nagelneue Schulhaus zu klein sei. Das sagt Christoph Ernst, der seit rund 15 Jahren als Geschäftsführer die Geschicke der Schule lenkt. „Aber wir hatten damals nicht genügend Geld.“ Deshalb habe die Schule notgedrungen nur die wichtigsten Gebäude errichtet, was gut fünf Millionen Euro und viele Einsatzstunden der Eltern gekostet habe.

Der damals aufgenommene Kredit sei weitgehend abbezahlt. Nur deshalb könne sich die private Schule eine Erweiterung leisten. Größere Zuschüsse vom Land für den Neubau seien nicht zu erwarten, so Ernst. Aus den laufenden Einnahmen sei es möglich, ein fünf Millionen Euro schweres Projekt zu stemmen. Laut Aussage des Geschäftsführers haben zusätzliche Räume für die Naturwissenschaften und für die Oberstufenschüler Priorität. Ob das Geld auch noch für den Bau einer kleinen Sporthalle reiche, sei fraglich.

Bauarbeiten sollen im Frühjahr 2018 beginnen

Die Eltern der Waldorfschüler bezahlen je Familie 305 Euro monatlich. Wer sich diesen Betrag nicht leisten könne, müsse weniger überweisen, berichtet Ernst. Es gebe aber auch Familien, die freiwillig mehr bezahlten. Der Geschäftsführer hat berechnet, dass für jede weitere Million Euro, die das Neubauprojekt über die fünf Millionengrenze hinaus kostet, der Familienbeitrag um rund 15 Euro im Monat angehoben werden müsste. Welche Räume gebaut werden sollen und wie viel Geld das Projekt schlussendlich kosten darf, das solle noch vor den Sommerferien in erster Linie von den Eltern entschieden werden.

Die Bauarbeiten sollen jedenfalls im kommenden Frühjahr beginnen. Die Stadt Backnang stellt der Schule das Grundstück im Erbbaurecht kostenfrei zur Verfügung. Noch stehen auf dem Areal Gebäude, in denen Flüchtlinge einquartiert sind. Diese Häuser sollen abgerissen werden. Die Stadt hat kürzlich ein Konzept zur Verteilung der Flüchtlinge auf andere Quartiere in Backnang vorgelegt.

Der Neubau für die rund 450 Schüler und deren etwa 40 Lehrer könnte frühestens Ende 2019 bezugsbereit sein, sagt Ernst. Die Zwölftklässler Tobias Hoschek und Michael Onneken, die im kommenden Jahr Abitur machen wollen, werden also nicht mehr vom gewonnenen Platz profitieren. Die beiden dürften sich aber gerne als Förderer engagieren, sagt der Geschäftsführer. Um den finanziellen Kraftakt zu stemmen sei jede Hilfe willkommen.

Großes Engagement und Gehaltsverzicht

Waldorfschule
Die Waldorfschule Backnang kann und will nicht mehr als rund 450 Schüler aufnehmen. Die Warteliste für einen Platz sei zwar lang, sagt der Geschäftsführer. Aber für zwei Klassen je Jahrgangsstufe fehle selbst mit einem Neubau schlicht der Platz. Finanziell komme die Schule nur über die Runden, weil sich Eltern und Lehrer enorm engagierten. Die Mütter und Väter müssten mit anpacken, beispielsweise beim Putzen. Und die Lehrer verdienten weniger als ihre Kollegen an staatlichen Schulen, nämlich rund 3100 Euro brutto bei einer Vollzeittätigkeit.

Pädagogik
Waldorfschulen verzichten weitgehend auf Noten. Sitzen bleiben gibt es nicht. Besonders wichtig ist in der Waldorfpädagogik die künstlerisch-musische Bildung und das praktische Arbeiten. Im Kreis gibt es zwei weitere Waldorfschulen: in Winterbach und Fellbach.