In der Gemeinde Tamm stehen mittelfristig viele Neubürger ins Haus. Foto: Pascal Thiel

Bietigheim-Bissingen, Korntal-Münchingen – und jetzt Tamm? In der Gemeinde könnte erneut Bürgerentscheid im Kreis zu kommunalen Bauplänen anstehen. Mehr als 1000 Bürger haben per Unterschrift gegen ein Neubaugebiet protestiert. Dabei sind die Pläne noch gar nicht weit gediehen.

Tamm - Es ist fast so, als wäre ein Damm weggebrochen: seit die Landesregierung um Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Bürgerentscheide zu kommunalen Bauplanungen ermöglicht hat, scheint es, als gäbe es alle paar Wochen ein solches Referendum. Nach Bietigheim-Bissingen (Biogutvergärung) und Korntal-Münchingen (Flüchtlingsunterkunft) wird nun auch in Tamm über einen Bürgerentscheid nachgedacht. Eine Bürgerinitiative hat kürzlich dem Bürgermeister Martin Bernhard 1133 Unterschriften von Bürgern übergeben, die sich kritisch zu einem großen Wohngebiet im Norden Tamms äußern.

In nur vier Monaten sollen die Initiatoren die Unterschriften gesammelt haben – das Quorum für ein Bürgerbegehren, das in einem Bürgerentscheid enden könnte, wäre damit kein Problem. Erwogen wird das durchaus. Dabei befindet sich das Projekt noch in einem frühen Stadium. Einem sehr frühen sogar, wie der Bürgermeister findet.

Es geht um Verdichtung, Verkehr und Frischluft

„Es gibt zu diesem Gebiet noch überhaupt keine Planunterlagen“, sagt Martin Bernhard und ergänzt: „Wir haben noch nichtmal ein zeitliches Raster.“ Fakt ist: der Verband Region Stuttgart hat die Gemeinde Tamm als Standort für einen regionalen Schwerpunkt beim Wohnungsbau auserkoren. Kein Wunder: Tamm hat einen S-Bahn-Anschluss und liegt unweit der Autobahnauffahrt Ludwigsburg-Nord. Rund 12,5 Hektar groß könnte ein Baugebiet irgendwann mal werden, das von der Initiative Hohenstange-West genannt wird. Ein Titel, den der Bürgermeister für etwas unglücklich gewählt hält. Hohenstange – das weckt Assoziationen an Bausünden und übermäßig hohe Verdichtung. Bernhard spricht deshalb lieber vom Gebiet „Nördlich der Alleenstraße“, da hier mitnichten die Baugeschichte des Viertels Hohenstange fortgesetzt werden solle. Es stehe „ein wichtiges Naherholungsgebiet auf der Kippe“, heißt es von Seiten der Initiative. „Wo sollen wir joggen, walken, Gassi gehen?“, steht auf einem Schild, das bei der Übergabe der Unterschriften hochgehalten wurde. Die Initiative will nach eigenem Bekunden Frischluftschneisen frei halten und fürchten eine drastische Zunahme des Verkehrs.

Maximal 1000 Neubürger

„Ich nehme diese Leute natürlich ernst“, betont der Bürgermeister, „manche haben tatsächlich Angst, dass da eine neue Megacity kommen könnte.“ Bei allem Verständnis bittet Martin Bernhard allerdings um Sachlichkeit. Es sei unrealistisch, dass – wie von der Initiative teilweise behauptet – im Neubaugebiet 2000 Menschen einziehen werden. Und das selbst, wenn man noch rund zwei Hektar Reserveflächen an der Calwer Straße mit einberechne. Als Maximalkulisse ergebe sich rein rechnerisch mit einer Baudichte von 90 Einwohnern pro Hektar und entsprechenden Erschließungsflächen ein Maximum von 1100 neuen Bürgern.

Er selbst gehe aber davon aus, dass es maximal 1000 würden. Ganz zum Anfang müsse die Gemeinde die Wohnbauflächen überhaupt mal in den Flächennutzungsplan aufnehmen. Erst dann könne die kommunale Planung wirklich beginnen. „Dazu wird es Anhörungen und Bürgerbeteiligung geben“, kündigt Bernhard an. Ob es danach doch noch einen Bürgerentscheid gibt? Man wird sehen.