Seit rund einem Jahr wird das knapp neun Hektar große Wohngebiet unterhalb der Herbertstraße erschlossen. Läuft alles weiter nach Plan, könnte im August mit dem Bau der ersten Häuser begonnen werden. Mehr als 330 Wohneinheiten sind geplant.
- Stammheim - Eine Bratwurst zum Abschied. Bis zur letzten Minute nutzte so mancher Gütlesbesitzer seinen Garten im Gebiet Langenäcker-Wiesert, ehe die Bagger anrollten. Jahrelang hatte sich das Vorhaben verzögert, unter anderem wegen einer Klage gegen die Stadt (wir berichteten). Im Oktober 2017 war es dann soweit: Die Rodung des Baufeldes konnte beginnen. „Als wir zum Abriss der etwa 40 Hütten anrückten, hatte einer der Gartenbesitzer sogar noch den Grill angeworfen“, erinnert sich Bauleiter Gerd Wimmer von der Planungsgesellschaft Heinrich. Danach qualmten vor allem die Motoren der Kettensägen und Bagger. Bis Januar 2018 wurden Bäume gefällt, Büsche entfernt, Unrat entsorgt.
Stabbomben gefunden
Auf ganz besondere Altlasten hatten es im Anschluss die Mitarbeiter der Kampfmittelbeseitigung abgesehen. „Sie hatten historische Luftbilder ausgewertet und zwei, drei Verdachtsmomente ausgemacht, wo Bomben liegen könnten“, sagt Andreas Beck vom städtischen Tiefbauamt. Nachdem der Oberboden an den verdächtigen Stellen etwa 30 bis 40 Zentimeter abgegraben war, suchten die Fachleute mit Sonden weiter. Gefunden wurde eine ganze und die Reste einer Stabbrandbombe.
Auf Funde anderer Art hatten es auch die Archäologen des Landesdenkmalamtes abgesehen. „In den 50er Jahren hatte man am Ende des Geländes einen Mahlstein gefunden, daher bestand die Vermutung, dass es weitere Funde geben könnte“, schildert Gerd Wimmer. Das war nicht der Fall. Einzig Kohleeinlagerungen, die auf eine Feuerstelle hinweisen, gab es. „Die Voruntersuchungen sind abgeschlossen, wir haben vom Amt die Freigabe erhalten“, sagt Wimmer. Dennoch sei man im Kontakt mit den Denkmalschützern und etwa einmal die Woche schaue ein Mitarbeiter in Stammheim vorbei. Auch der Tierschutz spielt eine wichtige Rolle. Unter der Anleitung von Experten wurde auf geschützte Wildbienenarten Rücksicht genommen. Für sie wurden Ausweichstandorte geschaffen, und sie sollen sich im Gebiet später in eigens dafür geschaffenen Bereichen wieder ansiedeln.
Bürgermeister im Bagger
So richtig los gingen die Erschließungsarbeiten dann im April 2018. Stuttgarts Technikbürgermeister Dirk Thürnau setzte sich hinters Steuer und übernahm den symbolischen Baggerbiss. Danach überließ er den Profis der Arge Klöpfer + A.T.S. das Feld. Die hatten eine Menge zu schaffen: In einem ersten Bauabschnitt wurde der rund einen Hektar große Grünzug im Herzen des Baugebietes angelegt und das Gelände modelliert. In diesem Bereich gibt es unter anderem drei Terrassen, die als Wiesen, Futterquelle für Wildbienen, Spielflächen und nicht zuletzt als Rigolen dienen, wo das Regenwasser versickert. 3500 Kubikmeter Kies wurden eingebracht. Rund 12 500 Kubikmeter Erde wurde bewegt, rund 25 000 Tonnen Aushub chauffiert. „Das waren in drei Monaten mehr als 1000 Lkw-Fahrten“, sagt A.T.S-Bauleiter Thomas Koller. Ein Großteil des Bodens sei auf andere Äcker verteilt worden. Mittlerweile sind die drei Terrassen eingefasst und eine spezielle Bodenschicht aufgebracht. „Wenn es mal stärker regnen sollte, läuft das Wasser über einen Ablauf in den Mischkanal und schließlich in die Kläranlage“, sagt Rudolf Gutjahr vom städtischen Tiefbauamt. Der Kanal wurde bereits 2015 verlegt.
Mehrere Kilometer Rohre verlegt
Apropos Kanalbau: Schmutz- und Regenwasser sind voneinander getrennt. An der tiefsten Stelle des Baugebiets wurde mit den Verlegungsarbeiten begonnen. In etwa 3,5 Metern Tiefe liegen die Rohre fürs Schmutzwasser. Regenwasserrohre in zwei Metern Tiefe. Insgesamt werden rund 3,5 Kilometer Kanalrohre im Gebiet verlegt, davon 1,9 Kilometer Steinzeug. Die Stadt investiert in die Erschließung, inklusive Planungsleistungen, rund 7,2 Millionen Euro. 2,4 Millionen entfallen auf den Neubau öffentlicher Straßen und Wege, gut zwei Millionen auf den Neubau von Kanälen und Versickerungsflächen.
Aktuell sind die Arbeiter dabei, die Versorgungsleitungen für Gas, Wasser, Strom, Telekommunikation und Beleuchtung zu verlegen. „Momentan läuft alles nach Plan, der südliche Teil des Gebietes, also der zweite Bauabschnitt, soll bis Ende Juli erschlossen sein – wenn das Wetter keinen Strich durch die Rechnung macht“, sagt Thomas Koller. Damit wären etwa 60 Prozent des Gebietes erschlossen. Abgesehen von Starkregen im Juni 2018 hatten die Bauarbeiter Glück. Bislang. Nun hoffen sie, dass es keinen andauernden Frost mehr gibt, der den Zeitplan für die heiße Phase durcheinander bringen könnte.
Ende des Jahres soll der letzte Erschließungsabschnitt fertig sein
Logistisch bleibt das Vorhaben anspruchsvoll. Zumal sich gegen Ende immer mehr Gewerke auf der Baustelle versammeln: Randsteinsetzer, Schweißer, Elektriker, Rohrleger und viele mehr. „Etliche Arbeiten laufen dann parallel und müssen möglichst nahtlos ineinander greifen“, sagt Koller. Etwa wenn die 13 000 Quadratmeter Asphaltfläche aufgebracht, die 3600 Quadratmeter Pflasterfläche verlegt oder die 90 Lampen aufgestellt werden. Der dritte Bauabschnitt für die Erschließung soll Ende dieses Jahres fertig sein. Dann haben nicht nur Planer und Bauarbeiter Grund zu feiern – ob mit oder ohne Bratwurst.