Klimaaktivistin Luisa Neubauer erwartet vom Bundeskanzler eine Entschuldigung. Foto: dpa/Christoph Soeder

Nachdem Klimaaktivisten in Stuttgart eine Diskussion mit Bundeskanzler Olaf Scholz gestört hatten, bemühte dieser einen Vergleich, den Luisa Neubauer als Verharmlosung des NS-Regimes deutet. Reaktionen auf Twitter zeigen: Das könnte ein Politikum werden.

Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag auf dem Katholikentag in Stuttgart eine Störung einer Podiumsdiskussion, bei der er anwesend war, kommentiert hatte, wirft ihm die prominente Klimaaktivistin Luisa Neubauer vor, einen Nazi-Vergleich bemüht und damit das NS-Regime verharmlost zu haben. Doch trifft das zu? Erste Reaktionen aus der Politik kommen auf Twitter zu unterschiedlichen Einordnungen. Neubauer twitterte:

Wörtlich sagte Scholz: „Ich sage mal ganz ehrlich, diese schwarz gekleideten Inszenierungen bei verschiedenen Veranstaltungen von immer den gleichen Leuten erinnern mich an eine Zeit, die lange zurückliegt, und Gott sei Dank.“

Zuspruch erhält Neubauer für ihre Einordnung vor allem von Klimaschützern. So teilt die Ökoaktivistin und ehemalige Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth Neubauers Kritik und verurteilt gleichzeitig das Katholikentag-Publikum, das Scholz nach dessen Aussage beklatscht hatte:

Auch der Klimaforscher Stefan Rahmdorf, der an der Uni Potsdam lehrt, fordert zumindest eine Erklärung des Bundeskanzlers: Er würde gerne eine Stellungnahme hören.

Viele Scholz-Kritiker auf Twitter stören sich auch daran, wie viele Medien mit dem Thema umgehen. So würden etwa „Spiegel“ und „Zeit“ (auch unsere Zeitung hat ähnlich getitelt) die Tatsache des vermeintlichen Nazi-Vergleichs auf Basis einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) verdrehen, indem sie schreiben, „Klimaaktivistin Neubauer wirft Scholz Nazivergleich vor“ und nicht beispielsweise „Scholz schockiert mit Nazi-Vergleich“, wie unter anderem die Konfliktforscherin Annika Brockschmidt fordert:

Doch genau das dürfte eben der Knackpunkt sein. Meinte der Bundeskanzler mit „schwarz gekleideten Inszenierungen“ aus „einer Zeit, die lange zurückliegt“, tatsächlich den Nationalsozialismus? Er selbst hatte sich dazu zunächst noch nicht geäußert. Einige Twitter-User mutmaßen aber, er könne sich beispielsweise auch auf die RAF bezogen haben – vor allem aus Reihen der Sozialdemokraten:

Andere spekulieren, Scholz könne sich dabei an den von ihm als Hamburger Oberbürgermeister erlebten, aus dem Ruder gelaufenen G20-Gipfel 2017 erinnert fühlen. Der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt schlägt sich wiederum überraschenderweise offenbar auf Luisa Neubauers Seite, sollte sein Tweet zum Thema ohne ironische Untertöne gemeint sein, in dem er schreibt: „Olaf Scholz vergleicht das totalitäre Auftreten von Klimaaktivisten mit den Nationalsozialisten.“

Zurückhaltend bei dem Thema zeigen sich unterdessen die Koalitionspartner der SPD in Berlin. Weder prominente Grüne noch FDP-Politiker haben bis Montagmittag in sozialen Netzwerken Stellung bezogen. Die Opposition ist ebenfalls zurückhaltend. Auch aus der Landespolitik in Baden-Württemberg, wo der Katholikentag stattfand, sind aktuell noch keine Stimmen zu vernehmen. Wird Scholz’ Aussage ein Politikum? Das kommt wohl darauf an, wie die Antworten auf die nach wie vor offenen Fragen ausfallen.

Aktualisierung: Inzwischen (Stand circa 14 Uhr) hat sich Olaf Scholz’ Regierungssprecherin zu den Vorwürfen geäußert. Sie nannte diese „völlig absurd.“ Allerdings ließ sie die Frage unbeantwortet auf welche Zeit sich der Bundeskanzler dann bezogen habe.