Gute Laune trotz des Umzugsstresses: Pastor Helmut Rothfuß (vorne) und Gemeindevertreter Siegfried Wössner sind längst beim Packen. Viele Dinge werden ausgemistet. Foto: Georg Friedel

Die evangelisch-methodistische Gemeinde Stuttgart-Nord plant auf ihrem Feuerbacher Grundstück an der Burgenlandstraße 106-108 einen Neubau. Die alte Friedenskirche aus dem Jahr 1915 soll ab November abgerissen werden. Vor dem Abriss wird nochmal gefeiert.

Feuerbach - Bauarbeiter in Spielzeugfigur-Größe bevölkern den Schaukasten, der vor dem Kindergarten der evangelisch-methodistischen Kirche an der Burgenlandstraße 106 steht. Eines der Plastikmännchen sitzt in blauer Montur auf einem roten Kran und schaut auf ein halb fertig gebautes Lego-Haus herab. Darüber hat jemand die Strophen und die Melodie des Kinderliedes „Wer will fleißige Handwerker seh’n“ in den Kasten gehängt: „Stein, auf Stein, das Häuschen wird bald fertig sein“, heißt es in dem Volkslied.

Kindertagesstätte wird um eine Gruppe erweitert

Die Baustellen-Szene und die Liedzeile spiegeln das wider, was die evangelisch-methodistische Gemeinde in Kürze erwartet. Denn die alte „Schmalzkirche“, wie die Friedenskirche im Volksmund genannt wurde, weil in den Notzeiten nach beiden Weltkriegen die Glaubensbrüder in den USA Lebensmittelspenden schickten, wird abgerissen und stattdessen ein neues Zentrum errichtet. An gleicher Stelle soll voraussichtlich bis Ende 2020 ein dreistöckiger Neubau entstehen. Im neuen Gemeindezentrum sollen neben einem Gemeindesaal und Gottesdienstraum mit 180 Quadratmetern, auch acht Wohnungen und eine größere Kita Platz finden.

Bisher wurden in dem Kindergarten nur zwei Gruppen halbtags betreut, in Zukunft soll es ein ganztägiges Angebot und drei Gruppen geben. „Die Null- bis Dreijährigen kommen noch dazu“, sagt Pastor Helmut Rothfuß. In Feuerbach sei vor allem für Kinder im Alter bis zu sechs Jahren der Bedarf an Betreuungsplätzen sehr groß. Um dieses Defizit ein wenig zu verringern, habe man das Angebot in Absprache mit der Stadt in diesem Bereich ausgeweitet, so Rothfuß. Der Kindergarten komme interimsweise in der Gustav-Werner-Kirche unter, nach der Wiedereröffnung im Neubau gehe er in die Trägerschaft der Bethanien Diakonissen-Stiftung (BDS) über. „Dadurch werden wir von Verwaltungsaufgaben entlastet, die wir selbst kaum mehr erbringen könnten“, betont Gemeindevertreter Siegfried Wössner. Der Bezirkslaienführer der Gemeinde ging früher selbst ins kircheneigene Kinderschüle.

Gebäude kann nicht mehr saniert werden

Die Kita der Methodisten an der Burgenlandstraße hat eine mehr als 90-jährige Tradition. „Feuerbach war eine Arbeiterstadt und mit der Industrialisierung mussten auch viele Mütter eine Beschäftigung annehmen“, berichtet Wössner. Die Friedenskirche in der Burgenlandstraße wurde bereits 1917 eingeweiht. Inzwischen haben auch die Methodisten im Stuttgarter Norden – wie viele andere Kirchen auch – einen Fusionsprozess hinter sich. Die evangelisch-methodistischen Gemeinden Zuffenhausen, Weilimdorf und Feuerbach schlossen sich im Jahr 2014 zusammen. „Aus drei Bezirken wurde ein Bezirk mit der Gemeinde Stuttgart-Nord am Standort Feuerbach“, erklärt der Pastor. „Da keines der bisherigen Gebäude den Anforderungen an eine moderne Gemeindearbeit standhielt, entschied die Bezirkskonferenz, einen Neubau auf dem Grundstück Burgenlandstraße 106-108 zu planen“, berichtet Rothfuß. Die anderen beiden Kirchen wurden verkauft.

Acht neue Wohnungen geplant

„Mit:einander“ soll das neue Projekt heißen. Kirche, Kita und Wohnungen werden unter einem Dach vereint. Die Baupläne sehen im Untergeschoss neben einer Tiefgarage mit 19 Stellplätzen auch einen Gemeindesaal samt Küche vor. Der Gottesdienstraum liegt im Erdgeschoss, geht über zwei Stockwerke und kann zum Foyer hin geöffnet werden. Zudem werden im Erdgeschoss zwei der drei Kita-Gruppen untergebracht. In den beiden oberen Stockwerken werden neben einer weiteren Kita-Gruppe acht Wohnungen eingerichtet. „Insgesamt schaffen wir rund 800 Quadratmeter Wohnfläche“, sagte Rothfuß. Das sei mehr als doppelt so viel wie zuvor.

Die Kosten für das Projekt liegen voraussichtlich bei rund 8,7 Millionen Euro. Da sich die evangelisch-methodistische Kirche durch eigene Beiträge oder Spenden und nicht durch Kirchensteuern finanziert, muss sie die Finanzierung gänzlich aus eigener Kraft stemmen. „Die Verkäufe von unseren Kirchengrundstücken und den nicht mehr benötigten Gebäuden in Weilimdorf und Zuffenhausen haben 3,5 Millionen Euro für unser Bauprojekt erbracht“, so Rothfuß. Zudem beteilige sich der Nachbarbezirk der Methodisten in Stuttgart-Mitte mit 2,5 Millionen Euro vor allem am Bau der Wohnungen. Diese sollen dann über Mieten nach und nach refinanziert werden. Rund 500 000 Euro sollen durch Spenden zusammenkommen, der Rest wird über Kredite finanziert.

Große Spendenbereitschaft

„Die Spendenbereitschaft ist sehr groß“, sagt Rothfuss. Beim Gemeindefest unter dem Motto „Mit:einander aufbrechen – abbrechen“ (siehe Info) soll auch Geld für das Projekt gesammelt werden. Das Pastoren-Duo der Methodisten-Gemeinde Stuttgart-Nord und Gerlingen stellt sich zu diesem Zweck gemeinsam auf eine Waage und lässt sich aufwiegen – und zwar in Münzen. Topp, die Wette gilt. Bringt wiederum die Gemeinde das notwendige „Münzgeld-Gewicht“ auf die Waage, stocken die Pastoren die Summe nochmals um 10 Prozent auf. So trägt jeder sein Scherflein zum Gelingen des Projektes bei. Rothfuß und Wössner hoffen, dass die Baugenehmigung bald erteilt wird. Denn die Zeit drängt. Den Bauantrag wolle man diese Woche einreichen. Die Abrissarbeiten sollen dann ab November beginnen und die Bauarbeiten in einem halben Jahr.