Kandidatin Alisa, Moderator Steven Gätjen und Kandidat Dennis (v. li.) machen gute Miene zum heiklen Konzept. Foto: ZDF/Patrick Seeger

Das ZDF treibt den Trick mit der versteckten Kamera auf die Spitze. Normalbürger werden für „Sorry für alles“ wochenlang heimlich ausgetrickst und gefilmt. Dann werden sie mit den Ergebnissen konfrontiert: Die „Truman Show“ lässt grüßen.

Mainz - Hätte Dennis die Wahl gehabt, er hätte sich lieber teeren und federn lassen. Als leidenschaftlicher Buchhändler hätte er sich vermutlich sogar eher stundenlang Konsalik-Schwarten vorlesen lassen. Aber er wurde nicht gefragt. Gefragt wurde er, ob er an einem Loriot-Rätselspiel teilnehmen möchte. An dem sitzt er gerade, als es irrwitzig wird: Eine Wand des Zimmers fährt hoch und, schwupps, steht er in einem Fernsehstudio, umzingelt von Fernsehkameras, von seinen Freunden, seiner Familie – und Moderator Steven Gätjen. „Toll, dass du da bist!“, empfängt der ihn, und Dennis stellt die einzig logische Frage: „Wo?“ Gätjen gibt ihm die einzig logische Antwort: Da gehe es Dennis nun wie ihm, „man ahnt nichts Böses und landet beim ZDF“. Herzlich willkommen in der neuen Show „Sorry für alles“.

Völlig fertig muss der Arme erkennen, dass er nicht nur im Fernsehen gelandet ist, sondern der Titel der Sendung nicht nur Gutes verheißt. Im Weichspülgang auf Schleudertempo erfährt er, dass er einen Monat lang in bestimmten Situationen von versteckten Kameras begleitet wurde und deren Bildbeute jetzt gleich zu sehen sein wird . . . aber hier sind ja auch schon die Preise!

Johann Lafer serviert schlechtes Essen

Ja, denn jetzt wird geraten. Erstens wird Memory-Spiel-artig geprüft, wie gut sich Dennis an die vergangenen Wochen seines Lebens erinnern kann. Zweitens soll der Gefoppte nun erkennen, was echtes Leben und was Inszenierung war. Und drittens müssen seine Freunde und Verwandten im Studio raten, wie er sich in bestimmten Situationen wohl verhalten hat. Für jede richtige Antwort kann Dennis etwas von dem gewinnen, was sein Lebensgefährte für ihn auf eine Wunschliste gesetzt hat. Wie herzig. Ein Jahr lang belgische Pralinen für lau, ein Theaterabo, eine Reise nach Lissabon. Es kann nur an der fiesen Überrumplung liegen, dass Dennis da nicht sofort Reißaus nimmt.

Und jetzt? Wie reagiert der 40-Jährige, wenn er von Johann Lafer schlechtes Essen serviert bekommt? Was macht er, als er mit dem – fiktiven – russischen Schlagerstar Peter Prosti verwechselt wird? Und wie sehr leidet der Zuschauer mit ihm bei einem Selbstverteidigungskurs, für den er ein Muskelshirt tragen muss, was er ironisch knapp so kommentiert: „Solange das nicht ins Internet kommt!“ Pech gehabt: Jetzt läuft das Ganze zur besten Sendezeit im Zweiten.

Aber Dennis lacht immer noch. Das liegt einerseits daran, dass er ein grundpositiver Mensch zu sein scheint. Andererseits beweist das ZDF hier ein Puschel-Wuschel-Händchen für aufwendig eingefädelte und immer liebevolle Geschichten.

Und Eko Fresh rappt dazu

In den neunzig Minuten der Show dürfen zwei Kandidaten die „neue Dimension der versteckten Kamera“ (Gätjen) erleben. Der 21-jährigen Alisa ergeht es also kaum besser als Dennis. Für sie ist es schon aufregend genug, bald zu heiraten. Völlig fertig und komplett ahnungslos sitzt sie in einem ans Fernsehstudio angebauten Diner. Sie hat den Kopf so schwer und erschöpft in die Hände gestützt, dass man ihr als Letztes wünscht, dass jetzt im Lokal die eben noch schützende Wand gen Decke rauscht und sie . . . ja, herzlich empfangen wird bei „Sorry für alles“. Spot an!

Völlig fassungslos muss sich Alisa nun selbst bei der Brautkleidanprobe und beim Aktmalkurs zuschauen und ihrem Vater beim Rappen mit Eko Fresh. Aber sie erlebt ein derart herzliches Happy End, dass sie den Schmu gerne in Kauf nehmen wird.

Oder vielleicht nicht? Mussten am Ende, als die Kameras aus waren, doch noch Psychologen anrücken? Wie fühlt es sich an, unwissend die Hauptfigur eines Films zu sein? Bei der „Truman Show“, dem Kinoklassiker mit Jim Carrey, nahm das kein gutes Ende – als Carreys Titelfigur erkennen musste, dass sie ein Leben lang ein TV-Charakter in einer eigens inszenierten Plastikwelt war.

So weit geht „Sorry für alles“ nicht. Trotzdem wüsste man als Mitleidender am Ende doch gerne viel mehr über die Menschen, denen man hier überraschend, aber nie unangenehm nahe auf die Pelle gerückt ist. Mehr über innere Befindlichkeiten. Über die Wies und die Obs. Aber was ist das letztlich für ein Kompliment für diese Show! Darüber, dass die Kamera zu früh ausgeschaltet wird, kann man sich ja selten genug beschweren.