Gutes Team: Morita (Kyozo Nagatsuka) und Carvin (Gérard Depardieu) Foto: Neue Visionen/Filmverleih

Kein Appetit mehr auf gar nichts? Der französische Filmstar Gérard Depardieu spielt mit Leib und Seele einen Starkoch in der Sinnkrise.

Unglaublich, dieser Bauch! Zu Beginn des Films „Der Geschmack der kleinen Dinge“ sitzt der französische Spitzenkoch Gabriel Carvin (Gérard Depardieu) nackt in einem japanischen Dampfbad und bietet dem Zuschauer einen unverstellten Blick auf seinen sehr, sehr dicken Bauch. Eigentlich ist das ein ziemlich unappetitlicher Anblick, man will das nicht sehen und muss doch immer wieder hinschauen, auf den Bauch, dann auf das Gesicht, und man beginnt zu verstehen, dass der Körper deshalb so viel Fett angesetzt hat, weil er damit die Seele schützen möchte.

 

Aus einem vormals in jeder Hinsicht leichten Leben ist ein schweres geworden. Mit nur einem Gesichtsausdruck das Thema des Films, mit nur einer Geste das Lebenstrauma der Figur zu skizzieren, das kann kaum jemand so gut wie Gérard Depardieu.

Und natürlich ist die französisch-japanische Produktion von der ersten bis zur letzten Minute ein Gérard-Depardieu-Film. Obwohl oder vielleicht gerade weil er großartige Schauspieler zur Seite hat: Pierre Richard („Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“) als schlank und heiter gebliebener Freund Rufus und Sandrine Bonnaire als traurig-schöne Ehefrau Louise.

Das Geheimnis von Umami

Depardieu spielt den erfolgreichsten Koch Frankreichs, der in eine Lebenskrise gerät: Er erhält zwar den begehrten dritten Kristallstern für sein Nobelrestaurant, doch wird ihm dieser ausgerechnet vom Liebhaber seiner Frau überreicht. Der ist nämlich Restaurantkritiker. Gabriels Frau, seine beiden Söhne scheinen ihm weiter weg zu sein als die Sterne, und glücklich ist er nur über den Kochtöpfen. Dann ereilt ihn ein Herzinfarkt, und der Körper des Kochs wird auf dem OP-Tisch auf ähnlich anschauliche Weise filetiert wie zuvor in der Küche der Fisch.

Japan im Winter

Mit einem Bypass und der Überzeugung versehen , dass er in seinem Leben etwas ändern muss, reist Gabriel nach Japan, um dort das Geheimnis von Umami zu finden, dem fünften Geschmackssinn. Dieser mysteriöse Geschmack beschäftigt Gabriel, seit er in seiner Jugend einmal einen Wettbewerb gegen einen japanischen Nudelkoch verloren hat. In Japan prallen nun die Gegensätze aufeinander, Gabriel landet in einer schäbigen Nudelküche und in einem Kapselhotel, in dessen Bettenbox er kaum hineinpasst. Gabriel freundet sich mit dem ehemaligen Konkurrenten (Kyozo Nagatsuka) an, und gemeinsam finden die beiden unterschiedlichen Männer Antworten auf fast alle Fragen des Kochens und des Lebens.

Im zweiten Teil des Films löst Regisseur Slony Sow nach und nach die Probleme seiner Figuren: Das ist streckenweise etwas märchenhaft und konstruiert, aber dennoch folgt man den Auflösungen gerne. Denn Sow findet dafür zauberhaft poetische Bilder. Und am Schluss haben alle ein kleines Lächeln auf den Gesichtern. Und der Zuschauer lächelt auch.

Der Geschmack der kleinen Dinge Frankreich/Japan 2022. Regie: Slony Sow. Mit Gérard Depardieu, Pierre Richard, Sandrine Bonnaire. 105 Minuten, ab sechs Jahren.

Der Geschmack der kleinen Dinge
Frankreich, Japan 2022. Regie: Slony Sow. Mit Gérard Depardieu, Pierre Richard, Sandrine Bonnaire. 105 Minuten, ab sechs Jahren.