Ein Komet rast auf die Erde zu in der Filmsatire„Don’t look up“ mit Leonardo DiCaprio und Jennifer Lawrence. Doch Politiker, Medien und Wirtschaft verfolgen weiter ihre Interessen.
Stuttgart - Ist die Menschheit zu retten? Wird sie Selbstzerstörung und Gier in den Griff bekommen, wird sie unterscheiden lernen zwischen Glauben und Wissen? In der Pandemie wurde in britischen Pubs und Stadien munter ohne Masken gefeiert, das Geschäft mit dem Impfstoff schließt ärmere Teile der Welt aus und produziert immer neue Mutanten, Virologen mahnen, Politiker haben die Launen der Wähler im Auge, Verschwörungsfreaks inszenieren apokalyptischen Zirkus. Dabei steht die existenzielle Bewährungsprobe noch aus: der Kampf gegen den Klimawandel.
Die Zeit ist also reif für eine Spielfilm-Satire, die anhand eines fiktiven Katastrophen-Szenarios eine derartige Krise durchspielt. In „Don’t look up“ entdeckt die Astronomie-Doktorandin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) einen Kometen. Die Freude währt nur kurz, denn ihr Professor Randall Mindy (Leonardo DiCaprio) berechnet: Der Felsen von der Größe des Mount Everest rast auf die Erde zu und wird alles Leben auslöschen.
Die Präsidentin hat andere Sorgen
Die Chefin der US-Raumfahrtbehörde NASA möchte die Nachricht möglichst verheimlichen, die Präsidentin im Weißen Haus (Meryl Streep) hat andere Sorgen: Kurz vor den Midterm-Wahlen hat sich ihr Supreme Court-Kandidat als Ex-Pornodarsteller entpuppt, außerdem sitzen ihr Großspender im Nacken, die im Kometen wertvolle Substanzen wittern. Die offiziellen Medien wollen ihre Nutzer nicht mit Schwarzmalereien vergrätzen, in den Netzwerken wuchern bald wildeste Theorien: „Jüdische Milliardäre haben diese Kometen-Bedrohung erfunden, damit die Regierung unsere Freiheit und unsere Waffen konfiszieren kann. #DontBe Scared“. Als der Komet am Himmel deutlich sichtbar wird, gibt es zwei Kampagnen: „Look up!“ rufen die Wissenschaftler, „Don’t look up!“ die Anhänger der Präsidentin.
Bloß nicht hinsehen, bloß nicht den eigenen Augen trauen – genüsslich spielt Regisseur Adam McKay die Mechanismen der Manipulation aus, die Donald Trump als Präsident so virtuos einzusetzen vermochte, dass knapp die Hälfte der Bevölkerung an seine „alternativen Fakten“ glauben wollte. Die gesellschaftliche Spaltung, die Wirkung von Netzwerken und Hightech-Konzernen, der Zynismus der Privilegierten, die Arroganz gegenüber der Provinz: Alles kommt hier auf den Tisch. Adam McKay hat mit „The big Short“ (2015) bereits einen klugen Film über die Finanzkrise gedreht und mit „Anchorman“ (2004) eine Komödie über US-Nachrichtensender, er ist also ein Spezialist für menschliche Defizite.
In „Don’t look up“ versammelt der Autor und Regisseur ein Ensemble aus Stars, die in der Lage sind, aus stark überzeichneten Figuren keine Karikaturen werden zu lassen. Leonardo DiCaprio erheitert als zart besaiteter Astrophysiker, der in Washington in den Sog des Korrumpiert-Werdens gerät. Jennifer Lawrence gibt die fassungslose Kämpferin für die Wahrheit, die im Netz als hysterische Panikmacherin verspottet wird.
Ein Ensemble aus Stars
Meryl Streep lächelt alles weg als Präsidentin mit ausufernder Günstlingswirtschaft, Cate Blanchett offenbart hinter der Fassade der strahlenden TV- Moderatorin eine zu Tode gelangweilte Intellektuelle. Ron Perlman gibt ein sexistisches, rassistisches Raumfahrer-Raubein, dem alle verzeihen, weil er sich für ein Himmelfahrtskommando opfern würde („er ist aus einer anderen Generation“). Mark Rylance brilliert als Silicon-Valley-Guru, der sich als geerdeter Visionär inszeniert, dessen Telefone aber lange vor deren Besitzern wissen, wann diese mal wieder zur Darmspiegelung gehen sollten. Nur Jonah Hill schießt übers Ziel hinaus als tumber, derb fluchender Sohn der Präsidentin, der zugleich deren Stabschef ist.
Am Ende: ein Moment der Demut
Immer wieder streut McKay Collagen ein, er mischt darin atemberaubende irdische Natur, das Planetenballett im All und Szenen aus dem globalen menschlichen Alltag. Als die Apokalypse nicht mehr aufzuhalten ist, inszeniert er einfühlsam einen Moment der Demut. Die Frage, ob die Menschheit noch zu retten ist, beantwortet er damit nicht – aber er zeigt ein Potenzial auf, mit dem sich noch arbeiten ließe.
Don’t look up. USA 2021. Regie: Adam McKay. Mit Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep, Cate Blanchett. 138 Minuten. Auf Netflix.