Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts eröffnet am Dienstag das Verfahren gegen Verantwortliche der insolventen Stuttgarter Nestwerk-Stiftung. Foto: dpa

Die Insolvenz der Stiftung Nestwerk vor sieben Jahren gilt als eines der größten Wirtschaftsdelikte Stuttgarts. An diesem Dienstag beginnt das Verfahren, allerdings nur noch gegen einen der ehemaligen Geschäftsführer.

Stuttgart - Die Stiftung Nestwerk ist der Stadt Stuttgart 16 Jahre lang eng verbunden gewesen: Die Kommune gab Darlehen, Bürgschaften und Erbpachtgrundstücke, die Stiftung baute darauf Sozialwohnungen und überließ sie karitativen Organisationen zur Vermietung. 2010 war diese Geschäftsbeziehung aber am Ende: Die Stiftung meldete Insolvenz an, die Stadt blieb auf einem Schaden von 4,76 Millionen Euro sitzen. An diesem Dienstag eröffnet die 6. Große Wirtschaftsstrafkammer das Verfahren am Landgericht.

Anklage erhoben hatte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft im Jahr 2012 ursprünglich gegen drei Personen: gegen den damaligen Vorstand, gegen dessen Ehefrau und einen ehemaligen ehrenamtlichen Stiftungsvorstand. Das Verfahren konnte jedoch erst jetzt eröffnet, werden, weil Großverfahren die Wirtschaftsstrafkammer über Jahre blockierten: Das Nic-Stick-Verfahren, das Porsche-Verfahren, das Schlecker-Verfahren und andere.

Ein ehemaliger Angeklagter gilt als verhandlungsunfähig

Inzwischen ist die Ehefrau des Ex-Vorstands verstorben, und das Verfahren gegen den ehemaligen ehrenamtlichen Vorstand ist laut Landgericht am 5. Oktober 2017 wegen dauernder Verhandlungsunfähigkeit des Mannes eingestellt worden. Jetzt wird nur noch einem Angeklagten der Prozess gemacht: dem mittlerweile 70 Jahre alten ehemaligen Vorstand. Ihm wird vorgeworfen, zwischen Januar 2007 und Oktober 2010 Geld in Höhe von insgesamt 1,8 Millionen Euro veruntreut zu haben. Zum anderen soll er private Bewirtungsbelege als geschäftliche Bewirtungskosten abgerechnet haben.

Außerdem soll er Münzen aus Waschautomaten, die von der Stiftung in mehreren Wohnobjekten aufgestellt waren, gestohlen und das Geld privat vereinnahmt sowie eine der Stiftung gehörende Wohnung mietfrei seinem Sohn überlassen haben. Des Weiteren wird dem Angeklagten vorgeworfen, sich Darlehensauszahlungen vor allem einer Bank in Stuttgart an die Stiftung in Höhe von 9,2 Millionen Euro unter Vorlage gefälschter Urkunden erschlichen sowie die Pleite vorsätzlich verschleppt zu haben. Der Angeklagte soll ferner den Bankrott absichtlich herbeigeführt und die Buchführungspflicht vorsätzlich verletzt haben. Auf 4,76 Millionen Euro bezifferte Finanzbürgermeister Michael Föll den Schaden für die Stadt, entstanden aus schuldig gebliebenen Darlehen und einer Bankbürgschaft. Der ehemalige Insolvenzverwalter hatte Anfang 2016 angegeben, eine Insolvenzquote von zehn Prozent erreicht zu haben. Demnach könnte die Stadt mit rund einer halben Million Euro aus der Insolvenzmasse rechnen. Dem Angeklagten drohen sechs Monate bis zehn Jahre Haft, doch die lange Wartezeit bis zum Prozessbeginn könnte sich strafmildernd auswirken. Es sind Verhandlungstermine bis Ende Januar 2018 angesetzt worden.