Seit 150 Jahren prägen das Werk und der Geruch gerösteter Zichorien Ludwigsburg – am 31. Dezember ist das vorbei. Foto: factum/Granville

Die Schließung des Caro-Werkes Ludwigsburg und anderer Standorte in Deutschland kostet den Nestlé-Konzern Millionen, ein dickes Sozialpaket ist beschlossen Die Gewerkschaft übt Kritik an der Strategie.

Ludwigsburg - Genau 26 Jahre lang ist der Betriebsratschef des Ludwigsburger Caro-Werk zu seiner Arbeitsstelle hinter dem Bahnhof gegangen. Der Nestlé-Konzern galt als guter und sicherer Arbeitgeber. Wer hier arbeitet, bleibt bis zur Rente, hieß es. Doch damit ist es jetzt vorbei: In der Nacht auf Samstag bis 4 Uhr morgens wurde verhandelt zwischen Gewerkschaften, Betriebsrat und Konzernleitung – nun ist die Zukunft des Caro-Röstwerkes in Ludwigsburg besiegelt: Es gibt keine. Die Produktion wird nach Portugal verlagert.

„Es wird schon traurig sein, wenn ich am 2. Januar nicht mehr meinen Weg zur Arbeit nehmen kann“, sagt der Betriebsratsvorsitzende des Werkes, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Wie eine Familie war die „Firma“ für ihn.

Ende einer Ära nach 150 Jahren

Man kennt sich, hat gemeinsam Ausflüge gemacht. Viele sind seit Jahrzehnten dabei. Doch diese Arbeitskultur geht mit dem Werk verloren. „Die Entscheidung steht fest“, sagt Alexander Antonoff, der Sprecher der Nestlé-Geschäftsführung, „das Werk wird geschlossen.“ Am 31. Dezember gehen die Lichter aus, für die 90 Mitarbeiter endet eine Ära. 150 Jahre lang wurde in Ludwigsburg aus Zichorien Röstkaffee hergestellt, zuletzt 5400 Tonnen im Jahr. In den 80er Jahren war dies ein Exportschlager, mit dem Aufkommen der Latte-Macchiato-Kultur ging es langsam bergab.

„Wir sind traurig und deprimiert“, sagt der Betriebsratschef. Viele Mitarbeiter seien über 50, er selbst ist 46 Jahre. Fünf bis sechs junge Kollegen hätten einen anderen Job gefunden, der Rest tue sich „sehr schwer“. Auch Helmut Zacher, der Regional-Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), übt scharfe Kritik: „Das Ludwigsburger Werk hat immer Gewinn gemacht.“ Das habe die Geschäftsleitung in Betriebsversammlungen noch dieses Jahr verkündet. Zacher sieht eine verfehlte Strategie: „Es wäre gut möglich gewesen, das Werk zu erhalten und die Produktion langsam auslaufen zu lassen.“ Es gehe aber immer nur um eine Umsatzrendite von 18,5 Prozent.

Mitarbeiter kommen in Transfergesellschaft

Zumal Nestlé nach harten Verhandlungen einen umfangreichen Sozialplan hat akzeptieren müssen. Die Mitarbeiter bekommen noch bis 31. Januar ihr volles Gehalt, danach wechseln sie zwölf Monate in eine Transfergesellschaft. Dafür wurde die Firma Quali Plus aus Wendlingen gewonnen. „Sie hat viel Erfahrung und die Kontakte, um die Mitarbeiter weiter zu vermitteln“, sagt Helmut Zacher. Zudem gebe es großzügige Abfindungsregelungen und Angebote für Altersteilzeit. So erhalten die Mitarbeiter ab 55 Jahren Zuschüsse zur Rente, um den entgangenen Lohn zu kompensieren. „Wir haben das maximale herausgeholt“, sagt der Gewerkschaftsmann Zacher. Die Regelung umfasst auch das zu schließende Messlabor in Weiding (Bayern) sowie Standorte für Maggi- und Babynahrungsproduktion in Nordrhein-Westfalen, an denen Kosten gesenkt werden sollen. Insgesamt geht es um 380 Jobs.

Nestlé: Sozialplan ist „außergewöhnlich“

Von einen „außergewöhnlich gut ausgestatteten Sozialplan“ spricht Ralf Hengels, das für Personal zuständige Vorstandsmitglied von Nestlé. Die ehemaligen Angestellten würden weiter qualifiziert. Nestlé zahlt laut Gewerkschaft sogar für Ausbildungen außerhalb der Transfergesellschaft. Am Mittwoch werden die Angestellten in einer Betriebsversammlung informiert.

Trotz des umfangreichen Sozialpaketes überwiegt bei den Caro-Mitarbeitern die Enttäuschung. „Es wird kein fröhliches Weihnachten für die Kollegen“, sagt der Ludwigsburger Betriebsratschef. Viele würden gar nicht die Voraussetzungen für eine Umschulung erfüllen. Sein Fazit: „Wir hätten hier gern weiter gearbeitet. Wir können es immer noch nicht fassen.“