Archivbild: Demonstranten beim Protest gegen Ceta in Brüssel. Foto: AP

Die EU sträubt sich mit aller Kraft gegen die ganz große Ceta-Blamage. Spätestens am Donnerstag wird sich zeigen, ob es mehr als ein Strohhalm war, an den sie sich jetzt klammert. Fragen und Antworten zum Verhandlungsstand im Überblick.

Brüssel - Kann das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Ceta in letzter Sekunde gerettet werden? Zumindest die EU-Spitze und der kanadische Premierminister Justin Trudeau scheinen die Hoffnung noch nicht aufgegeben zu haben - trotz wenig aufmunternder Signale von den aufständischen Ceta-Kritikern in Belgien. Fragen und Antworten zum aktuellen Verhandlungsstand im Überblick:

Eigentlich sollte am Montagabend feststehen, ob Ceta am Donnerstag im Rahmen eines EU-Kanada-Gipfels unterzeichnet werden kann oder nicht. Warum gibt es noch immer keine Klarheit?

Offensichtlich gibt es immer noch ein Fünkchen Hoffnung, dass die Ceta-Kritiker in Belgien mit zusätzlichen Garantien davon überzeugt werden können, ihren Widerstand aufzugeben. Würde dies gelingen, könnte die belgische Regierung ihre Zustimmung geben und der Unterzeichnung des Abkommens am kommenden Donnerstag stünde nichts entgegen. Die EU will nichts unversucht lassen, um sich die riesige Blamage einer Gipfelabsage zu ersparen.

Können die Ceta-Kritiker noch umgstimmt werden?

Kanada erträgt das Ceta-Gezerre in der EU bislang mit Engelsgeduld. Besteht nicht das Risiko, dass damit bald Schluss ist?

Auf den ersten Blick wäre das verständlich. In dem Abkommen steckt aber unglaublich viel Arbeit und Kanada verspricht sich von Ceta wie die EU viele Vorteile. Deswegen ist es unwahrscheinlich, dass eine Seite die Brocken nur aus Frust hinwirft. Hinter Ceta stehen zudem alle 28 EU-Regierungen. Sie halten das Abkommen für das fortschrittlichste und beste, das die EU je ausgehandelt hat. Wie soll es bis Donnerstag gelingen, die Ceta-Kritiker in Belgien umzustimmen?

Offen wollte darüber am Montagabend zunächst niemand reden. Der Regierungschef der besonders Ceta-kritischen Wallonen, Paul Magnette, hatte etliche Forderungen seiner Region zuletzt aber als erfüllt angesehen - zum Beispiel, weil Zusatzerklärungen zu Bereichen wie Umwelt- und Verbraucherschutz noch deutlicher formuliert wurden. Ein Knackpunkt war aber weiterhin das System zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Staaten.

Die weiter mögliche Absage der für Donnerstag geplanten Unterzeichnungszeremonie gilt für die EU als hochnotpeinliche Angelegenheit. Hat niemand das Problem kommen sehen?

Es gab Warnungen, aber offensichtlich hat sie niemand ernst genug genommen. In Brüssel betrachteten viele Verantwortliche die Streitigkeiten als innerbelgisches Problem und sahen es als Aufgabe der Föderalregierung von Charles Michel an, die notwendige Einigkeit in den Regionen herzustellen. Muss nun jemand die politische Verantwortung übernehmen?

Letztlich wäre dies wohl am ehesten die Sache von Premierminister Charles Michel. Er hat es weder geschafft, die Wallonie zu überzeugen, noch hat er offensichtlich klar genug davor gewarnt, dass er dem Abkommen gegebenenfalls nicht zustimmen kann.

Auch Deutschland wird eine Mitschuld gegeben

Auch der EU-Kommission und Mitgliedstaaten wie Deutschland wird immer wieder einen Mitschuld an dem Debakel gegeben...

Beide Seiten zeigen derzeit gegenseitig mit dem Finger aufeinander. Die EU-Kommission weist darauf hin, dass sie von Deutschland und etlichen anderen Staaten gezwungen wurde, Ceta als Vertrag einzustufen, dem nicht nur das Europaparlament, sondern auch der Bundestag und andere nationale und regionale Parlamente zustimmen müssen. Dies führt dazu, dass nun zum Beispiel die Wallonen das Abkommen blockieren können. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wirft der EU-Kommission hingegen eine Präferenz für das „technokratische Durchpauken von Handelsverträgen“ vor. Er argumentiert, er und andere Mitgliedstaaten hätten damals nur auf die „Fragen und Kritik ihrer Bevölkerung“ reagiert.

Wer hat recht? Vermutlich haben beide Seiten die Kritik an Freihandelsabkommen wie Ceta lange nicht ernst genug genommen. Gabriel muss sich zudem vorwerfen lassen, dass er zuletzt zweigleisig fuhr. Auf der einen Seite warb er für Ceta, auf der anderen machte er aber Stimmung gegen das mit den USA geplante Handelsabkommen TTIP. Für Ceta-Kritiker war das kaum verständlich.