Florian Wohlgemuth mixt coole Getränke für jeden Geschmack Foto: Dario Nassal

Neon-Licht und lange Nächte: In einer Serie stellen wir Nachtclubs im Stuttgarter Norden vor und Menschen, die dort arbeiten.

Feuerbach - Mitternacht. Auf der Tanzfläche drängen sich Frauen Anfang 20, bewegen die Hüften zum Bass. Jungs mit viel Gel in den Haaren nicken lässig und winken mit ihren Armen zum Beat. Die Boxen dröhnen. Es ist laut. Es ist voll. Mitten im Meer aus tanzenden und trinkenden Gästen befindet sich eine Insel: Eine Bar auf dem überfüllten Dancefloor. Hinter dieser Bar steht Florian Wohlgemuth und füllt Eiswürfel in ein Glas. „Barmann, das ist kein 08/15-Job“, sagt der 21-Jährige und lächelt. Wohlgemuth studiert Softwaretechnik in Esslingen. Wenn seine Kommilitonen am Wochenende feiern gehen, steht er im Penthouse hinter der Theke und mixt Getränke. „Einen besseren Nebenjob kann man nicht haben“, sagt er. „Die Atmosphäre hier ist locker, und du lernst jeden Tag neue Leute kennen.“

Penthouse – der Name ist Programm: Gefeiert wird im obersten Geschoss. Dabei handelt es sich bei dem Gebäude um einen riesigen futurischen Glaskasten, der auf dem Eckhaus an der Heilbronner Straße 385 steht. Das gesamte Gebäude wurde eigens für die Diskothek errichtet. Laut Homepage gibt es in ganz Europa keine größere Penthouse-Disco: Auf zwei Stockwerken befinden sich drei Clubs, zwölf Bars, ein großer Lounge-Bereich und ein Restaurant mit mediterraner Küche. Alles nach außen hin verglast, alles mit Panorama-Blick aufs Industriegebiet. Florian Wohlgemuth ist einer von 100 Mitarbeitern, die von Donnerstag bis Samstagnacht für die Feiernden zuständig sind. „Die Angestellten verständigen sich hier alle mit Walkie Talkie“, sagt die Geschäftsführerin Sonja Botterhus und zeigt auf ihr Handsprechfunkgerät. Die Kommunikation sei in einem so lauten und weitläufigen Laden nicht anders möglich.

Seit er 18 Jahre alt ist, arbeitet Wohlgemuth im Penthouse. „Ich habe da schon coole Sachen erlebt“, sagt er und erzählt von VIP-Partys mit dem Fußballer Hamit Altintop und „It-Girl“ Paris Hilton. Florian Wohlgemuth schätzt sich glücklich, Getränke mitten im größten der drei Club-Bereiche zu verkaufen: „Direkt neben meiner Bar legen die ganzen internationalen DJs auf. Die kommen dann immer zu mir, wenn sie etwas trinken wollen.“ Auf diese Weise habe er sich schon mit seinem persönlichen Idol unterhalten können: Hip-Hopper Fatman Scoop. „Das war die coolste Party überhaupt“, schwärmt Wohlgemuth. „Der Typ ist mit seinem Mikrofon durch die Menge gerast wie ein Verrückter. Geile Stimmung, Wahnsinnsabend!“ Florian Wohlgemuth steht nämlich auf Hip-Hop. Dass in seinem Club-Bereich meist nur House aufgelegt wird, stört ihn aber nicht. Im Gegenteil: „Dadurch, dass ich gezwungen bin, jeden Abend hier House zu hören, gefällt mir das inzwischen auch irgendwie.“

„Man hat das Gefühl, man war selbst Party machen“

Das Penthouse verfügt nicht nur über zwei Partyetagen, sondern auch über zwei Eingänge. Und nur bei einem müssen die Gäste Eintritt zahlen: „Wer älter ist als 30, kommt umsonst durch unseren zweiten Eingang“, erklärt Sonja Botterhus. „In den meisten Discos in Stuttgart sind ältere Erwachsene nicht so willkommen. Im Penthouse aber immer. Viele trinken nach der Arbeit hier noch gerne ein Feierabendbier. Deshalb der extra Eingang!“ Damit sich die Ü-30-Gäste auch wohlfühlen, gibt es den Club International, in dem neben aktuellen Tophits auch viele ältere Songs gespielt werden. Das sei eine der Besonderheiten am Penthouse, versichert Botterhus. Jeder könne zu der Musik tanzen, die ihm am besten gefalle. „Und alles unter dem Dach in ein und derselben Disco.“

Florian Wohlgemuths Nächte sind lang. Er muss hinter der Bar bleiben, bis die Gäste müde vom Tanzen sind, bis sie nichts mehr trinken wollen und nach Hause gehen. „Manchmal geht das bis um sechs Uhr morgens“, sagt Wohlgemuth. Das störe ihn aber nicht. An der Bar zu arbeiten, sei sehr unterhaltsam. Zum Beispiel versuche er oft zu erraten, was eine Person trinken möchte, schon bevor sie etwas bestellt hat: „Das klappt erstaunlich gut. Südländische Gäste bestellen sehr oft Jackie Cola. Jungs mit ganz kurzen Haaren Wodka, und einigen sieht man an, dass sie die Fahrer sind. Die wollen dann Red Bull“, sagt Florian Wohlgemuth und lächelt. Es sei allerdings nicht immer nur entspannend. Manchmal weigerten sich die Gäste, ihre Getränke zu zahlen, zerschmetterten ihre Gläser oder pöbelten. „Das kommt vor. Meistens versuche ich, die Leute zu beruhigen, in denen ich mit ihnen rede. Aber richtig gefährlich wird es eigentlich nie“, sagt Florian Wohlgemuth und zeigt lächelnd auf einen Knopf hinter der Bar. „Wenn ich hier drauf drücke, dann alarmiert das die Türsteher. Die kommen sofort.“ Außerdem sind alle Bars videoüberwacht. „Das funktioniert sehr effektiv“, versichert die Geschäftsführerin Sonja Botterhus. Auf einem Bildschirm in ihrem Büro kann sie zwischen den verschiedenen Kameraeinstellungen wechseln und hat so meist alles im Blick.

Florian Wohlgemuth poliert ein paar Gläser und schaut zufrieden auf die volle Tanzfläche. Er vermisst es nicht, an den Wochenenden feiern zu gehen. „Wenn du im Nachtleben arbeitest, dann bist so mitten in der Party drin, so eng zusammen mit den ganzen Leuten, die hier feiern. Man hat dann das Gefühl, man war selbst Party machen – und dabei verdiene ich Geld.“ Seit vergangenem November sogar noch ein bisschen mehr. Denn Florian Wohlgemuth ist zum Bar-Chef aufgestiegen.