Paul Magnette führt den Protest gegen Ceta in Brüssel an. Foto: dpa

Ministerpräsident Paul Magnette könnte Ceta, das Freihandelsabkommen mit Kanada, noch scheitern lassen. Doch er will wohl anderes.

Brüssel - Wer ist Paul Magnette? Was treibt den 45-jährigen Ministerpräsidenten des südlichen belgischen Landesteils Wallonien, der sich anschickt, das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada zu blockieren? Er droht damit, die Wallonie mit ihren vier Millionen Einwohnern zur Sperrminorität gegen das Ceta-Abkommen zu machen, das für 500 Millionen EU-Bürger ausgehandelt worden ist und nächstes Jahr vorläufig in Kraft treten soll. Das überrascht, denn der blonde, schlanke Sozialdemokrat ist vor allem eins: eingefleischter Europäer. Selbst wenn sich in diesen Tagen die EU-Hasser vom Front National und der AfD über seine Einlage auf europäischem Parkett diebisch freuen dürften, ein Anti-Europäer ist er nicht.

Magnettes Lebenslauf und die Liste seiner veröffentlichten Bücher zeigen es schon: Er war knapp über 30, als er seine Professur als Politologe in der Tasche hatte. Er hat Bücher veröffentlicht mit Titeln wie „Was ist die Europäische Union?“ und „Ist die Kommission der beste Freund der kleinen EU-Mitgliedsstaaten?“ Bis heute unterrichtet er an der Brüsseler Universität politische Wissenschaften mit dem Schwerpunkt Europa. Die belgische Tageszeitung Le Soir schreibt über ihn: „Das Themenfeld, auf dem er sich seit langem am wohlsten fühlt, ist: Europa und seine Zukunft.“ Das heißt: Er weiß sehr genau, wie die EU tickt und was auf dem Spiel steht, wenn er nicht doch noch die Kurve kratzt.

Ceta hat wenig Einflkuss auf das Leben in der Wallonie

Daraus ziehen viele Hoffnung und prognostizieren, dass er zwar hoch pokert, aber letztlich die für die nächste Woche geplante Unterzeichnung von Ceta nicht platzen lässt. Doch was sind dann seine Motive? Er behauptet, dass ihn an Ceta stört, was auch die Kritiker in Deutschland, Österreich und anderswo vorbringen: Zu wenig Rücksicht auf Arbeitnehmerinteressen, Verbraucherschutz, zu viel Investorenschutz. Es gibt aber handfeste Hinweise, dass dies nicht seine primären Interessen für den Feldzug gegen den Freihandel mit Kanada sind. Denn Ceta hätte wenig konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen in der Wallonie. 90 Prozent des Handels Belgiens mit Kanada wickeln die Unternehmen im niederländisch sprechenden Landesteil Flandern ab, der wirtschaftlich wesentlich besser aufgestellt ist.

Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass Magnette vor allem parteipolitische Motive umtreiben. Dazu muss man wissen: Magnette ist der aufstrebende Politiker in der belgischen sozialdemokratischen Partei PS. Die PS tickt etwas linker als die deutsche SPD und ist vor allem in der Wallonie stark verankert. Sie steht aber massiv unter Druck. Sie hatte vor kurzem im südlichen Landesteil noch 32 Prozent und ist nach einer Umfrage aus dem September auf 25 Prozent gesunken.

Magnette will innenpolitsch den Kommunisten den Rang ablaufen

Das Leben schwer machen ihr die belgischen Kommunisten von der PTB. Die marxistisch aufgestellte PTB zielt auf die Stimmen der Arbeiter. Vor allem in der Stahlindustrie der Wallonie gab es einen großen Kahlschlag bei den Jobs, viele fühlen sich als Verlierer der Globalisierung. Die PTB kommt von fünf Prozent im südlichen Landesteil und wird derzeit mit 15 Prozent gehandelt. Es heißt, Magnette will im Konkurrenzkampf mit den Alt-Kommunisten punkten, indem er bei Ceta den Robin Hood spielt und die EU-Granden herausfordert. Womöglich verfolgt Magnette damit auch die Strategie, den langjährigen Parteichef der PS, Elio Di Rupo, an der Spitze abzulösen. Magnette hat schon einmal bewiesen, dass er Gespür für schlagzeilenträchtige Ideen hat: Auf dem Höhepunkt der belgischen Staatskrise schlug er vor, die Wallonie solle sich Deutschland anschließen, wenn der belgische Staat zerbricht.