„Alles muss auf den Tisch“, fordert Reinhold Gall von der SPD. Foto: dpa

Filz, Mauschelei, Salamitaktik – die Opposition im Landtag schäumt angesichts weiterer bekannt gewordener grün-schwarzer Nebenabsprachen. Die Regierung kann sich auf eine heftige Debatte im Landtag nach der Sommerpause einstellen.

Stuttgart - Die Opposition befürchtet, dass es neben den bisher bekannt gewordenen Nebenabsprachen der Landesregierung noch weitere gibt. Die FDP will Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auffordern, sich bei der ersten Sitzung des Landtags am 28. September zu erklären, wie Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke am Montag in Stuttgart ankündigte. Sowohl seine als auch die SPD-Fraktion stellen eine parlamentarische Anfrage mit dem Ziel, Details zu den Sparplänen von Grün-Schwarz und möglichen weiteren Geheimabsprachen zu erfahren. „Jetzt muss alles auf den Tisch“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Reinhold Gall.

Die AfD kritisierte den „Mauschel-Ministerpräsidenten“. Rückendeckung für Kretschmann kam hingegen vom Freiburger Politologen Ulrich Eith: Nach seiner Beobachtung sind Nebenabsprachen gängige Praxis.

Zwei Fraktionen könnten Ausschuss beantragen

Die Landesregierung ist wegen der Nebenabreden stark unter Druck. Die „Südwest Presse“ hatte berichtet, dass es darin um einen Abbau von 5000 Stellen sowie eine höhere Grunderwerbssteuer gehe. Schon Mitte Juli waren Nebenabsprachen zwischen Kretschmann und der CDU öffentlich geworden.

FDP-Frontmann Rülke nannte Eiths Aussage eine Behauptung aus der „professoralen Glaskugel“. Er betonte: „Wir gehen davon aus, dass es weitere Nebenabsprachen gibt, weil die Landesregierung das nicht dementiert.“ Die Koalition bestätige nach dem Prinzip der Salamitaktik nur, was bereits bekannt sei. Wenn sich abzeichne, dass Kretschmann nicht alles offenlegt, was vereinbart sei, werde die Fraktion auf die SPD zugehen, um über einen Untersuchungsausschuss zu sprechen.

Zwei Fraktionen können im Landtag einen Ausschuss beantragen, um die Regierungsarbeit unter die Lupe zu nehmen. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die AfD und die von ihre abgespaltene Alternative für Baden-Württemberg erneut einen Untersuchungsausschuss beantragen, meinte Rülke. Derzeit fordern die beiden Fraktionen einen Ausschuss, um den Umgang der Landesregierung mit Linksextremismus im Südwesten aufzuarbeiten. Rülke resümierte: „Die AfD stellt die etablierten Parteien als unglaubwürdig dar und Kretschmann und Strobl tun alles, um diesen Eindruck zu bestätigen.“

Nebenabsprachen als Teil der repräsentativen Politik

Der Politikwissenschaftler Eith sagte zu den Nebenabsprachen: „So funktioniert repräsentative Politik: Gewählte Vertreter haben einen gewissen Handlungsfreiraum, und die Bürger können bei der nächsten Wahl ihre Missbilligung oder Zustimmung kundtun.“ Je nach Thema müsse die Regierung aber begründen, warum sie es im Wahlkampf nicht schon zur Sprache gebracht und diskutiert habe. Vor allem bei geplanten Einsparungen erschwerten öffentliche Debatten das Regierungshandeln. „Die Auswirkungen müssen dann von den Wählern eingeordnet und von der parlamentarischen Opposition beurteilt werden“, fügte er hinzu.

Der SPD-Abgeordnete Gall betonte: „Es ist ein starkes Stück, dass Grün-Schwarz aus der Diskussion um die zuerst bekannt gewordenen Geheimabsprachen nichts gelernt hat und glaubt, sich irgendwie durchmogeln zu können.“ Sogar die Abgeordneten aus den Regierungsfraktionen seien nicht eingeweiht. „Sie erfahren aus der Zeitung, welche Maßnahmen sie in nächster Zeit abnicken müssen.“ Die Nebenabsprachen waren von Kretschmann, Strobl, Finanzministerin und Ex-Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann sowie Justizminister Guido Wolf (CDU) unterschrieben worden.

Ministerpräsident Kretschmann wird aus Sicht der AfD-Landtagsfraktion wegen geheimer Absprachen mit der CDU immer mehr zum Machtpolitiker. Er und Strobl hätten sich von „Gralshütern der Transparenz“ zu Verfechtern des politischen Filzes gewandelt.

Die Giftliste der Koalitionsspitzen

Beamten und Kommunen: Einsparungen bei den Kommunalzuweisungen und den Beamten sollen zusammen 430 Millionen Euro bringen. Konkret geht es um Kürzungen bei der Besoldung und den Pensionen der Beamten sowie um die Einführung von Lebenarbeitszeitkonten. Der Beamtenbund bezweifelt aber die Effizienz des Instruments mit den Lebenarbeitszeitkonten, weil es unterm Strich keine Kosten spare. Die Koalition glaubt aber, dadurch auf 1500 von insgesamt 5000 einzusparenden Stellen verzichten zu können.

Erhöhung der Grunderwerbssteuer: Die Vorgänger-Koalition aus Grünen und SPD hatte die „Häuslebauer-Steuer“ bereits von 3,5 Prozent auf 5 Prozent angehoben. Im Gespräch ist nun eine Erhöhung um 1,5 Prozent.

Zinsen: Das Land möchte von den günstigen Konditionen für Kredite profitieren und bestehende Verträge möglicherweise entsprechend umwandeln und so weniger Zinsen zahlen.

Ministerien: Verwaltungsmodernisierung und einfachere Standards sowie eine bessere Ressourcensteuerung bei den Ministerien sollen 370 Millionen Euro bringen.