Von nun an sichtlich grimmiger bewacht: Emil Noldes „Sonnenblumen“ Foto: dpa

Manchmal läuft ein Krimi auch hinter der Fernsehkamera ab: Ein echter Nolde soll vor 40 Jahren von einem Mitarbeiter des NDR gestohlen worden sein. Jetzt ist das Gemälde wieder da – und der NDR hat das millionenschwere Stück zurück. Das hätte bis zuletzt anders laufen können.

Hamburg/Kiel/Schwerin - Knapp 40 Jahre lang war das gestohlene Ölgemälde „Sonnenblumen“ von Emil Nolde (1867-1956) verschollen. Jetzt hat es der Norddeutsche Rundfunk (NDR) zurückerhalten. Das Bild war 1979 aus dem Hamburger Funkhaus am Rothenbaum geraubt worden. Im vorigen Jahr hatte sich die Besitzerin gemeldet und das Gemälde für eine Entschädigungssumme von 20000 Euro an den NDR zurückgegeben. Es werde von April 2019 an in Hannover, Hamburg, Kiel und Schwerin ausgestellt, kündigte NDR-Intendant Lutz Marmor bei der Präsentation an.

Der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR), Vorgänger von NDR und WDR, hatte das Gemälde 1950 für 10 000 DM gekauft. NWDR-Generaldirektor Adolf Grimme (1889-1963) war als ehemaliger niedersächsischer Kultusminister persönlich mit Nolde bekannt. Eine Investition der Rundfunkanstalten in kulturelle Schätze, so Intendant Marmor, sei damals „nicht unüblich“ gewesen.

20 000 Euro Finderlohn

Zur Zeit des Einbruchs hing das Gemälde beim damaligen NDR-Justitiar und späteren Intendanten Jobst Plog. Ungewöhnlich an dem Coup war, dass es keine Einbruchsspuren gab. Außerdem wurde das Nolde-Aquarell „Landschaft mit Bauernhaus“ gestohlen, das bislang noch nicht wieder aufgetaucht ist. Die Polizei konnte den Diebstahl nicht aufklären.

Im März 2017 habe sich bei ihm eine Berliner Anwältin gemeldet, so NDR-Justitiar Michael Kühn, deren Mandantin das Nolde-Bild besaß und mit dem NDR über eine mögliche Rückgabe verhandeln wollte. Nach ersten Gesprächen habe der NDR eine Altersbestimmung durch das Berliner Rathgen-Labor und eine Begutachtung durch die Nolde-Stiftung in Seebüll vornehmen lassen, um die Echtheit zu prüfen. Beide Seiten einigten sich dann auf eine Zahlung von 20 000 Euro „Finderlohn“. Der heutige Wert des Nolde-Gemäldes wird auf eine Million Euro geschätzt.

Kein Recht auf Herausgabe

Die juristische Bewertung ist nach den Worten Kühns schwierig. Laut Gesetz erlösche nach zehn Jahren das Recht des Eigentümers auf Herausgabe des Kunstwerks, wenn der Besitzer es „gutgläubig“ erworben habe. Auch eine Zivilklage auf Erstattung wäre vermutlich gescheitert, weil der NDR der Berlinerin betrügerische Absicht hätte nachweisen müssen. Die Gefahr sei sehr groß gewesen, dass das Bild in der Illegalität verschwindet.

Dem NDR sei von der Berlinerin mitgeteilt worden, so Kühn, dass ihr inzwischen verstorbener Mann das Gemälde von einem Freund geschenkt bekommen habe. Dieser Freund sei damals Mitarbeiter des NDR gewesen, was der NDR später auch bestätigte. Der Verdächtige ist allerdings ebenfalls gestorben. Er soll damals behauptet haben, er habe das Bild „für kleines Geld“ aus der NDR-Requisitenkammer erworben.

Überprüfbar seien die Angaben der Witwe nicht, sagte Justitiar Kühn. Auch über die Gründe, warum der NDR-Mitarbeiter das Gemälde seinem Freund gegeben habe, könne nur spekuliert werden. Möglicherweise sei ihm der Verfolgungsdruck durch die Polizei zu hoch geworden.

TV-Doku zum Fall

Es sei Noldes erstes Ölgemälde mit Sonnenblumen, sagte der Kunsthistoriker Ulrich Krempel, ehemaliger Direktor des Sprengel-Museums Hannover, der den NDR fachlich beraten hat. Insgesamt gebe es 50 Gemälde mit diesem Motiv. Entstanden sei das 72 x 90 Zentimeter große Bild 1926 vermutlich auf der Utenwarf nahe der nordschleswigschen Stadt Tondern, wo Nolde mit seiner Frau Ada wohnte, bevor sie nach Seebüll zogen.

Das NDR-Fernsehen wird eine Dokumentation über die Geschichte der „Sonnenblumen“ am Montag, 26. November 2018, um 22.45 Uhr senden. Eine Radio-Doku ist am Dienstag, 27. November 2018, um 20 Uhr auf NDR Kultur zu hören.