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Am Montag beginnt in München der Prozess gegen John Demjanjuk. Der Chef der Ludwigsburger Zentralen Stelle zur Verfolgung von NS-Verbrechen, Leitender Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm, will weitere Täter vor Gericht bringen.

Stuttgart - Am Montag, 30. November, beginnt in München der Prozess gegen John Demjanjuk. Der Chef der Ludwigsburger Zentralen Stelle zur Verfolgung von NS-Verbrechen, Leitender Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm, will weitere Täter vor Gericht bringen.

Herr Schrimm, Ihre Mitarbeiter und Sie haben den Münchner Prozess gegen John Demjanjuk maßgeblich vorbereitet. Haben Sie noch Möglichkeiten, einzugreifen?Nein, wir können jetzt nicht mehr eingreifen. Die Sachherrschaft liegt jetzt beim Gericht. Und die Kollegen in München wissen schon, was zu tun ist. Aber wir werden insoweit beteiligt sein, als einer unserer Sachbearbeiter bereits als Zeuge vor Gericht geladen ist.

Wenn man so lange an einem Fall arbeitet - schaut man dann mit besonderen Gefühlen auf einen Prozess? Oder ist die Sache für Sie mit Ende der Ermittlungsarbeit abgehakt?Einerseits ist dieser Fall für uns abgeschlossen. Wir haben die Akten damals nach München abgegeben und sind seither nicht mehr Herr des Verfahrens. Andererseits haben wir sehr viel Engagement in diesen Fall investiert, da ist es schon so, dass man erfolgreich sein möchte. Das ist keine persönliche Befriedigung. Aber wer acht Monate lang mit zwei Mitarbeitern an dem Fall dran ist, der wünscht sich natürlich einen erfolgreichen Ausgang.

Gibt es etwas Besonderes an diesem Verfahren? Sie überblicken ja einige Jahrzehnte und viele Prozesse gegen NS-Täter.Es gibt ein Spezifikum insoweit, als man über Jahrzehnte hinweg versucht hat, die großen Tiere vor Gericht zu bringen. Was aber nicht bedeutet, dass man die kleinen Tiere außer Acht lässt. Wir haben jetzt die Möglichkeit, auch einfach wegen der Quantität der Fälle, uns um jeden einzelnen Fall zu kümmern. Insofern ist es schon ein Novum. Es steht ein Mann vor Gericht, der am Ende der Befehlskette steht.

Trotzdem gibt es gerade deswegen ein gewisses Unbehaben, weil man natürlich weiß, dass viele Täter, die an wichtigeren Positionen saßen, ungeschoren davongekommen sind.Das Unbehagen kann ich durchaus nachvollziehen. Es ist nicht unbedingt befriedigend, dass manche größere Tiere ungeschoren davongekommen sind. Aber das war einfach auch ein Sachzwang. Man kann nicht 2000 oder 3000 Täter gleichzeitig verfolgen. Man muss da Prioritäten setzen. Aber die Tatsache, dass möglicherweise Leute, die noch größere Schuld auf sich geladen haben, ungeschoren davonkamen, kann uns nicht dazu veranlassen, einfach die Augen zu schließen.

Kann man nach so langer Zeit die persönliche Schuld des Angeklagten noch ermitteln?Das ist mit Sicherheit die Problematik des Verfahrens. Deshalb gibt es Hauptverhandlungen. Wir können zunächst einmal nur aufgrund von Dokumenten und Zeugenaussagen eine Vorabprognose stellen, dass heißt einen hinreichenden Tatverdacht für eine Anklage. Ob es zu einem Schuldspruch reichen wird, das muss die Hauptverhandlung ergeben.

Demjanjuk ist der Beihilfe angeklagt. Ist das eine Hilfskonstruktion, eben weil man ihm direkte Taten nicht mehr nachweisen kann?Das ist keine Hilfskonstruktion. Die Beihilfe ist gesetzlich geregelt. Das Strafgesetzbuch sieht einerseits die Täterschaft vor, als Hauptbeteiligungsform, sieht aber explizit auch die Beihilfe vor. Wir müssen prüfen, hat er als Täter gehandelt oder als Gehilfe?

Es heißt immer, der Prozess gegen Demjanjuk sei einer der letzten großen Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland. Was ist noch zu erwarten?Eine Prognose ist sehr schwierig. Wenn Sie mich vor zwei Jahren gefragt hätten, da hätte kein Mensch gedacht, dass es ein Demjanjuk-Verfahren gibt. Es wurde zwischenzeitlich noch in zwei oder drei anderen Fällen Anklage erhoben, weitere folgen möglicherweise. Wir selbst hier in Ludwigsburg haben noch einiges vor. Es gibt Quellen, deren Inhalt wir überhaupt noch nicht kennen. Deshalb kann ich keine Prognose treffen. Aber ich halte es für möglich, dass es einen weiteren großen letzten Fall geben wird.

Verfolgen Sie eine konkrete Spur?Es gibt keine Spuren, aber es gibt recht vielversprechende Quellen. Anlässlich einer Dienstreise nach Brasilien erst vor wenigen Monaten haben wir erfahren, dass in Brasilien noch Archive existieren, die sehr vielversprechend sind, deren Inhalt wir noch nicht kennen.

Das werten Sie gerade aus?Das werden wir zu Beginn des nächsten Jahres auswerten.