Der Nabu will Landwirte verpflichten, die Menge der Pestizide offenzulegen (Symbolbild). Foto: dpa

Wen geht es etwas an, wie viel Gift Landwirte auf den Feldern einsetzen? Jedermann, sagt der Nabu. Niemanden, sagt der Agrarminister, solange das Pflanzenschutzmittel nicht auf dem Teller landet.

Stuttgart - Das Land muss aus Sicht des Naturschutzbundes Nabu Baden-Württembergs Landwirte dazu verpflichten, die Mengen an ausgebrachten Pflanzengiften zumindest anonymisiert offenzulegen. „Wir Bürger haben ein Recht darauf, zu erfahren, wie viel Gift auf unsere Äcker kommt“, sagte Nabu-Landeschef Johannes Enssle der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Die Daten gebe es, doch selbst in einem Naturschutzgebiet bekomme der Nabu keine Einsicht. Eine Sprecherin von Agrarminister Peter Hauk (CDU) entgegnete jedoch: Die Offenlegung von Daten sei „rechtlich nicht gedeckt“. Die Grundwasserüberwachung zeige seit Jahren einen Rückgang der Planzenschutzmittel-Rückstände.

Wenn die Landesregierung wie angekündigt im Rahmen ihres Sonderprogramms für Artenvielfalt Pestizide reduzieren wolle, sagte Enssle, sollte sie wissen, wie viel davon in Baden-Württemberg ausgebracht werde. Agrarminister Hauk hatte die Offenlegung der Daten zuletzt vehement abgelehnt: „Hochwertige Lebensmittel wachsen nun mal nicht ohne den Schutz vor Krankheiten und Schädlingen“, sagte seine Sprecherin. Der Wurm im Apfel etwa, den kein Verbraucher mehr möchte, werde nun mal mit dem Einsatz von Insektiziden verhindert. Auch der ökologische Landbau setze Pflanzenschutzmittel ein.

Nabu fordert Halbierung der Pestizide

Der Nabu forderte am Mittwoch erneut die Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2025 und begründete das mit einem massiven Insektensterben. Mit den Insekten stürben auch die Vögel, so Enssle: „Die Bruterfolge der Vögel hängen unmittelbar vom Angebot an Insektennahrung für den Nachwuchs ab. Bleibt das aus, hungern vor allem Insektenfresser wie Schwalben, Segler und Fliegenschnäpper, aber auch alle Jungvögel.“ Enssle forderte eine Agrarwende und ein Insekten-Monitoring. „Insektizide vergiften die Insektenwelt und machen selbst vor Naturschutzgebieten nicht Halt. Herbizide rauben Wildbienen und Schmetterlingen die Nahrungsgrundlage.“

Die pauschale Forderung nach Reduktion klinge zwar gut, hieß es im Ministerium weiter, die Welt sei aber komplexer. Es gelte, die Mittel gezielt dort einzusetzen, wo sie notwendig seien. „Wir sollten dabei natürlich die Risiken für die Natur, für das Wasser und für Pflanzen und Tiere mindern, wo es geht.“ Man baue darauf, Prognosemodelle zu verbessern, die Ausbringung der Mittel zu optimieren und verstärkt Nützlinge gegen Schädlinge einzusetzen.

Hauk bezweifelt Zusammenhang zwischen Pestiziden und Insektensterben

Minister Hauk hatte bei der Vorlage des ersten Nabu-Pestizidberichts für Baden-Württemberg Anfang des Jahres die Offenlegung der Daten durch die Landwirte abgelehnt. Pflanzenschutzmittel würden „nicht aus Jux und Tollerei“ eingesetzt, sondern um sensible Kulturpflanzen zu schützen und Erträge zu sichern. Wichtig sei, wie viel davon tatsächlich am Ende in den Nahrungsmitteln lande - und das werde Jahr für Jahr penibel kontrolliert. Er bezweifelte den Zusammenhang zwischen Pestizideinsatz und Insektensterben der vergangenen Jahre.