Land fragt Meinung zum geplanten Nationalpark ab - In Gemeinden formiert sich Widerstand.

Stuttgart - Info-Broschüren, Gutachten und Besuche des Landwirtschaftsministers höchstpersönlich: Je mehr die Landesregierung für einen Nationalpark wirbt, desto stärker formiert sich der Widerstand. Viele kleine Gemeinden im Nordschwarzwald können sich mit einem Großschutzgebiet nicht anfreunden.

Auf Spazierfahrt durch den Nordschwarzwald dürften sich viele Touristen derzeit an den Stuttgart-21-Konflikt erinnert fühlen. An der Straße vom Enztal zum Kaltenbronn steht ein Schild. "Nationalpark steht darauf", durchgestrichen von einem roten Balken. Die gleiche Symbolik, die auch Stuttgart-21-Gegner für ihre Zwecke nutzen. Doch mit der Tieferlegung eines Bahnhofs hat die Angelegenheit im Nordschwarzwald nichts zu tun.

Es geht um die Ausweisung eines Nationalparks, eines 100 Quadratkilometer großen Schutzgebiets, in dem sich die Natur entwickeln soll, wie sie will. "Ein Nationalpark ist ein weltweiter Tourismusmagnet und könnte das Artensterben in Flora und Fauna stoppen", sagen Befürworter. "Den Gemeinden wird die Planungshoheit genommen, und die Holzwirtschaft müsste die Holzernte einstellen und würde daran zugrunde gehen", entgegnen Kritiker.

Der Konflikt ist nicht neu im Südwesten. Schon seit Jahrzehnten wird über die Frage eines Nationalparks gestritten. Doch erst seit Grün-Rot die Landesregierung stellt, nimmt das Thema an Fahrt auf. Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) hat den Nationalpark zur Chefsache erklärt, unermüdlich wirbt er dafür, doch Bonde sagt auch: Ein Nationalpark kann nur entstehen, wenn die Bürger der betroffenen Regionen ihn anerkennen.

Doch genau das liegt noch in weiter Ferne. Im Nordschwarzwald hat sich jetzt die Interessengemeinschaft "Unser Nordschwarzwald" gebildet, ein Verbund lokaler Interessengemeinschaften der Region, die sich gegen einen Nationalpark wenden. Mit Unterschriftenaktionen und Flyern wollen die Verantwortlichen die Bürger für sich gewinnen. Auf der Internetseite http://unser-nordschwarzwald.de sollen von 21.September an die wichtigsten Gegenargumente zu lesen sein. Über diese Seite kann man auch einen Aufkleber bestellen mit dem durchgestrichenen Schriftzug "Nationalpark" darauf. Genau der Schriftzug, der in größerer Form auch an der Straße zum Kaltenbronn zu lesen ist.

Gutachten soll Vor- und Nachteile untersuchen

Ob die Interessengemeinschaft auf eine wachsende Ablehnung des Nationalparks hinweist? "Meinem Gefühl nach zu urteilen, hat die Gegnerschaft zugenommen", sagt Dieter Knittel (SPD), Bürgermeister von Gernsbach. Die Diskussion um den Nationalpark habe den Gemeinderat aber noch nicht erreicht. Eine eindeutige Position werde Knittel deshalb nicht beziehen. "Ich bin noch abwartend kritisch." Er will der Landesregierung die Möglichkeit geben, Für und Wider eines solchen Großschutzgebiets zu erklären.

Abwartend gibt sich auch Norbert Mai (parteilos), Bürgermeister von Bad Herrenalb. Landwirtschaftsminister Bonde hat vor kurzem ein Gutachten in Auftrag gegeben: Es soll die Vor- und Nachteile eines Nationalparks im Nordschwarzwald untersuchen. Bis dahin, sagt Bürgermeister Mai, werde er keine klare Stellung beziehen. Doch dann, im weiteren Gespräch, zählt Mai mehr Minus- als Pluspunkte auf. Als da wären: die möglichen Einschränkungen. "Unsere Kurgäste könnten dann eventuell den Wald nicht mehr betreten, wenn er zum Großschutzgebiet erklärt wird." Oder: die möglichen Veränderungen im Wald selbst. In einem Nationalpark wird die Natur sich selbst überlassen - Eingriffe des Menschen sind verboten. Zumindest in der sogenannten Kernzone. "Unsere Kurgäste müssten dann auf abgestorbene Waldabschnitte blicken, in denen die Holzstämme kreuz und quer liegen. Das will ich nicht."

Doch Mai sieht auch positive Punkte. Ein Nationalpark könnte einen touristischen Schub für die Gemeinde bewirken, sagt er. Und der ist - gerade im nördlichen Schwarzwald - immer willkommen. Während der südliche Schwarzwald als Fremdenverkehrsregion gut dasteht, sieht es im ländlich geprägten Nord- und Mittleren Schwarzwald derzeit eher mau aus.

120000 Haushalte hat das Landwirtschaftsministerium nun angeschrieben, neben einer Info-Broschüre zum Thema Nationalpark erhielten die Bürger eine Antwortkarte. Darauf sollen sie ihre Fragen und Anregungen niederschreiben und zurücksenden. Weil es eine Panne bei der Verteilung gab und viele Gemeinden die Info-Broschüre erst vor kurzem erhielten, wurde nun die Antwortfrist verlängert: vom 16.auf den 20.September. "Wir erwarten einen hohen Rücklauf", sagt eine Ministeriumssprecherin. Die Antworten und Meinungen sollen in das Gutachten einfließen.