Wanderschäfer Gerhard Stotz führt seine Tiere auf die Weide Foto: dpa

Wanderschäfer erhalten vom Land deutlichmehr Geld als bisher für die Pflege wertvoller Kulturlandschaften und Lebensräume. Inzwischen gibt es Verträge für die Beweidung von 31 000 Hektar Grünland. Das Land gibt dafür jährlich 17 Millionen Euro aus.

Münsingen - Mindestlohn? Davon können manche Schäfer nur träumen. Im Schnitt verdienen sie weniger als fünf Euro pro Stunde – rechnerisch exakt 4,27 Euro. Sie haben eine Sieben-Tage-Woche, kaum Urlaub und sind bei jedem Wetter draußen. Deshalb geben viele Schäfer auf – sie sehen in ihrem Beruf keine Zukunft. In den vergangenen zehn Jahren ging die Zahl der Schäfer im Land um rund ein Viertel zurück.

Doch die Schäferei ist unabdingbar für den Erhalt verschiedener Kulturlandschaften in Baden-Württemberg. Die grün-rote Landesregierung reagiert darauf und honoriert die Leistung der Schäfer jetzt höher. Bei einem Besuch der Schäferei Stotz in Münsingen (Kreis Reutlingen) im Biosphärengebiet Schwäbische Alb sagt Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne): „Wir werden jährlich 20 Millionen Euro mehr an Landwirte vergeben, die Wiesen und Weiden erhalten.“ Diese Arbeit ist für die Familienbetriebe teils extrem aufwendig und kaum rentabel, weil die Grünflächen entweder sehr steil, flachgründig, trocken, nass oder uneben sind.

Ohne eine spezielle Förderung würden diese Flächen aufgegeben. Das Land hat deshalb neue Förderprogramme entwickelt. Dazu gehört das Programm Fakt, das gerade die Bewirtschaftung von Grünland honoriert. In diesem Jahr wurden aus diesem Topf laut Landwirtschaftsministerium bis August bereits Fördermittel für fast 120 000 Hektar beantragt.

Grünland wichtig für Klimaschutz

Parallel dazu hat das Land die Fördermittel über die so genannte Landschaftspflegerichtlinie (LPR) im Zeitraum von 2014 bis 2020 gegenüber der letzten Förderperiode um zwei Drittel auf rund 49 Millionen Euro im Jahr aufgestockt. „Damit kann artenreiches Grünland durch gezielte Beweidung mit Rindern, Schafen und Ziegen schonend bewirtschaftet werden“, so Bonde.

Etwa 40 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche Baden-Württembergs ist Grünland. Viele landwirtschaftlichen Betriebe im Schwarzwald, auf der Schwäbischen Alb und in anderen schwierig zu bewirtschaftenden Regionen sind auf das Grünland angewiesen, um die Futtergrundlage für ihre Viehhaltung zu sichern. Grünlandnutzung ist aber nicht nur für die Landwirtschaft bedeutsam – es dient auch dem Schutz der Ressourcen Boden, Wasser, Luft und spielt für die Erhaltung der biologischen Vielfalt und den Klimaschutz eine bedeutende Rolle.

Eine dritte Möglichkeit, an Geld zu kommen, ist für die Schäfer der Vertragsnaturschutz. Auch aus diesem Programm gibt es mehr Geld als vor dem Regierungswechsel. Bei ein bis zwei Weidegängen pro Jahr werde die Förderung von bisher 195 Euro auf nun 360 Euro pro Hektar angehoben, bei häufigerer Beweidung von bisher 320 Euro auf 550 Euro. Wenn die Schäfer noch einige Ziegen mitführen, wird der Förderbeitrag noch einmal um 150 Euro aufgestockt.

Fonds entschädigt, wenn der Wolf zupackt

Viele Wanderschäfer haben darauf reagiert. Die Zahl der Vertragsflächen steigt. Insbesondere geht es dabei um Wacholderheiden und um Magerrasenflächen auf der Schwäbischen Alb. Der Vertragsnaturschutz wird damit für die Wanderschäfer zu einem wichtigen Standbein. Für das Land übernehmen sie die Pflege der wertvollen Wacholderheiden mit einer Vielfalt an Pflanzenarten mit wildem Thymian, Enzian und Silberdisteln sowie seltenen Schmetterlingen und Heuschrecken.

Verunsichert sind viele Schäfer auch durch die – noch vorsichtige – Rückkehr des Wolfes. Minister Bonde versucht allerdings, sie zu beruhigen: „Wir haben im Doppelhaushalt 2015/2016 rund 200 000 Euro für den Herdenschutz von Schäfern eingestellt.“ Konkret gefördert werde das Projekt „Herdenschutzmaßnahmen in der Weidetierhaltung“ des Landesschaftzuchtverbandes in Kooperation mit dem Naturschutzbund (Nabu). Bonde sieht die Rückkehr des Wolfs als „Aufgabe für die gesamte Gesellschaft“. Sie dürfe nicht zu Lasten der Nutztierhalter gehen.

Der Nabu prüft im Südschwarzwald den Herdenschutz und hat zwei Herdenschutzhunde angeschafft. Gemeinsam mit anderen Verbänden wurde ein Fonds gegründet, der Schäfer entschädigt, die Tiere durch Wölfe verloren haben. „Baden-Württemberg braucht Schafherden. Wir wollen mithelfen, der Schäferei eine Zukunft zu ermöglichen“, sagt Markus Röhl, stellvertretender Landesvorsitzender des Nabu.