Am Oberrhein wachsen Binnendünen bis zu 21 Meter in die Höhe Foto: Michael Linnenbach/LUBW

Kaum eine Landschaft in Deutschland weist solche Gegensätze auf wie der Oberrheingraben: Dort stoßen – gleich hinter den Auen – trockene Wüstenlandschaften an nasse Landstriche. Drei Bundesländer kümmern sich jetzt gemeinsam um den Erhalt der dort einzigartigen biologischen Vielfalt.

Karlsruhe - Bis zu 21 Meter hoch sind die Sanddünen, die sich hinter den Rheinauen Richtung Schwarzwald auftürmen. Entstanden ist die Wüstenlandschaft seit der letzten Eiszeit – der Südwestwind blies Flugsand aus dem Schotterbett des Rheins in die öde Steppe. Solche Binnendünen sind echte Raritäten. Nur auf den ersten Blick wirken sie lebensfeindlich für Tier und Pflanze. Tatsächlich bieten sie Lebensraum für besonders seltene Arten wie die Sandstrohblume oder den Sandlaufkäfer.

Nur wenige Kilometer entfernt bietet sich ein völlig anderes Bild: In der Kinzig-Murg-Rinne stehen die Wiesen unter Wasser, Gräben bieten vielerlei Amphibien Lebensraum, aber auch dem Schlammpeitzger, einem bundesweit extrem seltenen Fisch, der auf der Roten Liste der stark gefährdeten Arten steht.

Der Gegensatz zwischen trocken und nass könnte nicht größer sein: „Bei Baden-Baden kann man mit einem Fuß im Sand, mit dem andern im Sumpf stehen“, sagt Katrin Fritzsch, die beim Nabu Baden-Württemberg das Projekt Lebensader Oberrhein leitet. Die beiden Landstriche bilden das Herz des Projektgebiets „Nördliche Oberrheinebene“, eines von 30 bundesweiten Hotspots der biologischen Vielfalt. Herausragend an diesem Hotspot Nummer 10 ist die Tatsache, dass sich gleich drei Bundesländer – neben Baden-Württemberg auch Rheinland-Pfalz und Hessen – diesem Gebiet mit 2200 Quadratkilometer Fläche verpflichtet fühlen. Voraus ging die Erkenntnisse, dass Naturschutz nicht an Ländergrenzen haltmachen darf.

Kahlschlag irritiert Bürger

Projektleiterin Katrin Fritzsch gerät über manches seltene Lebewesen dort ins Schwärmen: „Der Schlammpeitzger kann ganz außergewöhnliche Sachen – er atmet über die Haut und über den Darm.“ Allerdings sei der Fisch bislang kaum wenig erforscht. Eine stärkere Vernetzung der Laichgewässer und Tümpel sei aber auch für viele Amphibienarten existenziell: „Amphibien sind die großen Verlierer des Klimawandels.“ Um zu verhindern, dass die Feuchtwiesen in der Kinzig-Murg-Rinne austrocknen, werden die Flächen dort bereits regelmäßig vernässt.

Gefährdet ist auch die angrenzende Dünenlandschaft. Durch intensive Landwirtschaft – dort speziell auch den Spargelanbau – sowie wachsenden Siedlungsdruck sind Teile der Wüstenlandschaft bereits verschwunden. Jetzt sollen konkrete Maßnahmen helfen, die bei einigen Bürgern allerdings Kopfschütteln ausgelöst haben: „Wir haben 2,7 Hektar bei Schwetzingen gerodet und auch den Humus entfernt“, sagt Katrin Fritzsch. Nur einzelne alte knorrige Kiefern und Eichen blieben stehen. Die Baumfällungen begründet Fritzsch damit, dass sich Sandrasen und Magerrasen mit lichten Wäldern neu bilden sollen: „Die sind sehr wertvoll für viele seltene Arten.“ Und auch der Mensch empfinde nach Untersuchungen halboffene Landschaften als schön.

„Wir hatten sehr viele Rückfragen, ob wir alte Wälder kaputt machen“, sagt Katrin Fritzsch. Aufklärung ist ihr deshalb wichtig: „Unsere Naturschutzmaßnahmen sollen auf Verständnis stoßen.“ Der Nabu als Projektträger investiert deshalb Geld nicht nur direkt in den Naturschutz, sondern auch in die Öffentlichkeitsarbeit. Dafür sorgen Paten vor Ort. Außerdem unterstützt der Nabu die Ausbildung von sogenannten Biodiversitätsbotschaftern: „Das sind ehrenamtliche Leute, die an fünf bis sechs Theorieabenden und in Exkursionen direkt im Hotspot-Gebiet geschult werden.“ Diese Menschen entscheiden dann selbst, auf welche Weise sie ihr gesammeltes Wissen verbreiten. Einige geben es im Bekanntenkreis weiter, andere vermitteln es bei Spaziergängen durch das Gebiet an Interessierte.

Wellnessflächen für Schafe

„Es geht darum, den Wert der Landschaft Oberrhein ins Bewusstsein zu bringen“, sagt die Projektleiterin. Vor dem Nabu liegt am Oberrhein eine große Aufgabe. Bis Ende 2019 läuft das Projekt. Schafe, Ziegen und Esel sollen helfen, die kargen Sandflächen zu erhalten. „An anderer Stelle müssen sie sich dann aber satt futtern können“, sagt Katrin Fritzsch: „Dafür legen wir Wellnessflächen an.“ Mit diesem Konzept wendet sich der Nabu jetzt an die Schäfereibetriebe: „Baden-Baden hat noch eine große Schäferei, und auch in Südhessen gibt es noch welche“, sagt Katrin Fritzsch zuversichtlich.