Das Gebiet unterhalb des Hohenneuffen ist ein Biotop für Tiere und Pflanzen. Foto: privat

Das Landratsamt weist Kritik an einem Pflegeeinsatz im Bereich der Neuffener Heide als unbegründet zurück. Das Mulchen von Flächen sei ökologisch sinnvoll.

Neuffen - Er habe seinen Augen nicht getraut, sagt Karl-Heinz Frey von der BUND-Ortsgruppe Nürtingen. Vor wenigen Tagen fuhr der ehemalige Sprecher des Landesnaturschutzverbands im Kreis Esslingen die Neuffener Steige hoch und sah linker Hand im Landschaftsschutzgebiet Barnberg eine gemulchte Fläche. Dasselbe Bild bot sich gegenüber im Naturschutzgebiet Schlossberg-Egert. Karl-Heinz Frey spricht von einem für Pflanzen und Insekten sehr bedrohlichem „Kahlschlag“. Das Landratsamt indessen verteidigt die Pflegemaßnahme als ökologisch sinnvoll.

Ökologische Folgen des Mulchens sind umstritten

Karl-Heinz Frey deutet auf Reifenspuren, die von einem Hangmäher stammen. Mit diesem sind im Auftrag des Landkreises die betroffenen Flächen gemulcht worden. Die Bestandsaufnahme von Karl-Heinz Frey klingt dramatisch: Enziane, Disteln, Ragwurzarten, Gräser, Heckenrosen, Stauden – alles eingeebnet. Ebenso besorgniserregend die Folgen aus seiner Sicht. Durch das Mulchen seien der Lebensraum und die Nahrungsgrundlage für Insekten und Vögel stark beeinträchtigt worden. Zauneidechsen hätten ihren Schutz verloren und Ameisenburgen seien eingeebnet worden, fährt Frey fort und bezeichnet den Pflegeeinsatz als einen GAU. Es sei ein „komplettes Naturschutzgebiet plattgemacht worden“. Alle Regeln für eine schonende Pflege von Naturschutzgebieten hätten keine Anwendung gefunden.

Im Landratsamt Esslingen weist man die Vorwürfe entschieden zurück. „Ich habe da eine ganz andere Meinung als Herr Frey“, sagt der Kreisökologe Roland Bauer. Das Ziel sei es, die offenen Kurzrasenflächen zu erhalten. Deshalb werde die Neuffener Heide wie andere Flächen im Kreis auch von Schafen beweidet. Pflanzen mit Bitterstoffen, wie Enzian und Kräuter mit ätherischen Ölen, wie Dost oder Thymian verschmähten die Tiere aber. Auch dornige Pflanzen, wie Disteln, Rosen, Brombeeren, Schlehen und Weißdorn ließen die Schafe stehen. Greife der Mensch nicht regulierend ein, wachse die Heide zu, und der typische Lebensraum für wärmeliebende Insekten gehe verloren, sagt Bauer. Der Biologe verteidigt die Pflegeeinsätze. Es werde nur nach Bedarf und partiell gemulcht, um das ökologische Gleichgewicht zu wahren.

Neuntöter-Population hat sich ausgeweitet

„Die Pflegemaßnahmen wirken sich sehr positiv auf die Artenvielfalt der Schafweiden aus“, erklärt Roland Bauer und verweist auf das Beispiel der Naturschutzgebiete „Teckberg“ und „Eichhalde“ bei Bissingen. Dort wurde die Beweidung und die Gehölzpflege, anders als es zuvor langjährige Praxis gewesen ist, stark intensiviert. Mit dem Umschwenken einher geht ein ökologischer Richtungsstreit. Denn ein Teil der Naturschützer sieht die damit verbundenen Pflegemaßnahmen als kritisch an, weil sie negative Auswirkungen auf Biotope oder Arten befürchten.

„Zu potenziellen ,Verlierern‘ werden dabei üblicherweise gebüschbrütende Vögelarten gezählt, darunter auch der Neuntöter“, heißt es in einer in diesem Jahr veröffentlichten wissenschaftlichen Studie über die Entwicklung der Gebiete „Teckberg“ und „Eichhalde“. Roland Bauer sieht sich durch die Ergebnisse der Studie bestätigt. Demnach ist dort die Siedlungsdichte des Neuntöters neun Mal so hoch wie sie für eine solche Flächengröße in Südwestdeutschland anzunehmen wäre. Die Autoren der Studie folgern, „dass weniger die Menge vorhandener Nist- und Ansitzplätze limitierend für den Neuntöter ist. Viel stärker relevant ist das Vorhandensein von offenen kurzrasigen Magerrasenflächen, das heißt geeigneten Nahrungs- beziehungsweise Jagdgebieten im Habitat.“