Fühlen sich in der Stadt pudelwohl: Rotfuchs, Nilgans und Marder. Das birgt mitunter Konflikte. Foto: Lichtgut/Zweygarth, dpa/Jörg Carstensen

Füchse zerlegen die Sitze in der Mercedes-Benz-Arena. Doch auch an anderen Stellen in der Stadt haben Verwaltung und Privatleute mit ungebetenen Besuchern zu tun. Die Naturschützer vom BUND fordern jetzt Tempolimits an Waldrändern.

Stuttgart - Die Nachricht hat bundesweit für Aufsehen gesorgt: In der Heimat der Roten vom VfB sorgen andere Rote für Ärger, nämlich Rotfüchse. Regelmäßig besuchen sie in Zeiten von Corona und Geisterspielen den Innenraum der Mercedes-Benz-Arena, hinterlassen dort Fäkalien und zerbeißen die teuren Business Seats mit Sitzheizung. Der Schaden ist beträchtlich – und Krähenschwärme tun in Sachen Dreck ihr Übriges. Auch sie fühlen sich rund ums Stadion äußerst wohl, seit dort weniger Betrieb herrscht. Ob die langsame Rückkehr der Zuschauer bei Bundesligaspielen daran etwas ändert, ist offen. Scheinbar denkt man bei der Betriebsgesellschaft noch darüber nach, wie man der Probleme Herr werden kann.

Tatsache ist: Wildtiere fühlen sich im Großstadtdschungel immer wohler. Das reichliche Futterangebot lockt sie an und lässt sie die Scheu verlieren. Zugleich wird ihr Lebensraum durch Menschen beschnitten. Unerwünschte Begegnungen häufen sich.

Probleme in Tunneln und Brücken

Wengerter berichten von abgefressenen Reben durch Rehe, Hausbesitzer und Betriebe haben es mit Mardern, Mäusen, Ratten oder Waschbären zu tun. Wenn sie sich erst mal häuslich einrichten, können ganze Gebäude zerstört werden. Dachse hingegen wühlen Gärten um, auch Wildschweine statten dem heimischen Grün gerne einmal einen Besuch ab. In solchen Fällen verweist die Stadt, die die Stelle eines Wildtierbeauftragten bald ausschreiben will, an sogenannte Stadtjäger, die dann Häuser sichern, Wildtiere vergrämen oder in hartnäckigen Fällen fangen. Ein Lied davon singen kann aber auch die Stuttgarter Stadtverwaltung selbst. Denn das Stadion ist nicht die einzige Einrichtung mit Wildtierproblem. „Im Bereich der Straßentunnel und Brücken gibt es Schäden durch Siebenschläfer oder Marder, die in Schaltkästen der Stromversorgung für diese Objekte Leitungen beschädigen“, heißt es etwa aus dem Tiefbauamt. Dadurch könne es zu Störungen in der Betriebstechnik kommen. Auch Tauben, deren gesundheitsschädlicher Kot Probleme machen könne, nisteten sich trotz Schutzmaßnahmen immer wieder ein. Bis zu 100 000 Euro im Jahr muss das Tiefbauamt für Schäden, Reinigung und Sicherung aufwenden.

Beim Eigenbetrieb Abfallwirtschaft ist bekannt, dass Wildtiere immer wieder Gelbe Säcke aufreißen und durchsuchen. Deshalb sollten sie nicht zu früh vors Haus gestellt werden. Auch Mülltonnen, die gut zugänglich sind, eignen sich gerade für Füchse hervorragend als mögliche Nahrungsquelle. Und selbst Spechte interessieren sich für die Außenisolierung von Häusern und hinterlassen dort erhebliche Schäden.

Freibäder als Revier für Gänse

Als Hauptproblem macht man bei der Verwaltung aber noch eine ganz andere Spezies aus: die immer häufiger auftretenden Nil-, Kanada- und Graugänse. Ihre Hinterlassenschaften in Parks und Grünanlagen müssen aufwendig entfernt werden. Die Rede ist von enormen Kotmengen und der Verdrängung anderer Vögel wie Enten. Im Untertürkheimer Inselbad, dem Freibad Rosental in Vaihingen und im Mineralbad Leuze treten sie seit Jahren „störend auf“, so die Verwaltung. Sie ließen sich sogar bei Badebetrieb in den Becken nieder und kaum vergrämen. Zur Brutzeit entwickelten sie auch aggressives Verhalten gegenüber Menschen.

Immerhin an einem Punkt signalisiert die Stadtverwaltung Entwarnung: Die Unfallzahlen mit Wildtieren, heißt es aus dem Garten-, Friedhofs- und Forstamt, „fallen nach unserem Kenntnisstand relativ gering aus“. Das sieht man beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Stuttgart freilich anders. „Mit Entsetzen“ betrachte man die Statistik des städtischen Tiernotdienstes, sagt der Geschäftsführer Gerhard Pfeifer. Die listet unter anderem 629 Wild- und Haustiere auf, die 2021 überfahren worden sind. Darunter fänden sich zahlreiche Füchse, 100 Schwäne und Enten, 25 Dachse, 20 Rehe und 220 „andere Wildtiere“ wie Igel, Eichhörnchen oder Marder.

Tempolimits auf Hauptstraßen?

Pfeifer fordert Konsequenzen. Zum Schutz der Tiere, aber auch der Autofahrer, müssten „umgehend Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Straßen an Waldrändern und in Weinberggebieten“ her. „Wir brauchen in Stuttgart generell beim Autoverkehr eine niedrigere Geschwindigkeitskultur. Der Schutz der Wild- und Haustiere vor dem Straßentod ist eine fachliche und moralische Verantwortung“, sagt Pfeifer. Vorschläge liefert er gleich mit: So sollten nach Ansicht der Naturschützer die erlaubten Geschwindigkeiten auf der Wildparkstraße, auf der Hedelfinger Filderauffahrt, zwischen Feuerbach und Weilimdorf, rund um Fernsehturm, Asemwald, Botnang und die Weinberge im Neckartal teils deutlich gesenkt werden.