Im Zuge der Bildungsplanreformen will die grün-rote Landesregierung schulübergreifend einen Fächerverbund „Naturphänomene und Technik“ für die Klassen fünf und sechs einführen Foto: dpa

Erneut Aufregung um den Bildungsplan: Nach dem Thema sexuelle Orientierung ist nun der Biologieunterricht in der Diskussion. Dieser soll künftig auch an Gymnasien im Fächerverbund Naturphänomene enthalten sein.

Stuttgart - „Die Landesregierung will Biologie als Schulfach abschaffen.“ Mit dieser aufrüttelnden Nachricht sorgte die Zeitung „Die Welt“ am Dienstag für große Aufregung im Landtag, bei Fachverbänden und Wissenschaftlern in Baden-Württemberg. Hintergrund: Im Zuge der Bildungsplanreformen will die grün-rote Landesregierung schulübergreifend einen Fächerverbund „Naturphänomene und Technik“ für die Klassen fünf und sechs einführen. Damit soll Biologie künftig auch an Gymnasien gemeinsam mit Chemie und Physik unterrichtet werden – allerdings mit der gleichen Stundenzahl wie bisher.

In besagtem Zeitungsbericht war nicht nur von der Abschaffung des Biologieunterrichts und anderer Naturwissenschaften als eigenständigen Schulfächern die Rede, sondern auch von einer Kürzung der Wochenstunden für Biologie sowie von der Möglichkeit, dass das Fach künftig auch „fachfremd“ unterrichtet werden könnte. Experten zeigten sich entsetzt. Manche seiner Erstsemester könnten schon heute einen Lurch nicht von einer Eidechse unterscheiden, zitierte die „Welt“ den Leiter der geowissenschaftlichen Abteilung des Naturkundemuseums in Karlsruhe, Eberhard Frey. „In den USA und selbst in Indien bekomme ich zu hören, dass deutsche Studienabgänger nichts mehr wert seien.“ In der Vergangenheit hatte bereits der Biologenverband im Südwesten gewarnt, dass der Biologieunterricht in dem geplanten Fächerverbund zu kurz kommen könnte.

Angesprochen auf den Bericht, sorgte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag zunächst eher für Verwirrung denn für Aufklärung: Die Frage nach einem Fächerverbund sei „kein ganz einfaches Thema“, sagte er. Er wolle darüber zunächst mit Kultusminister Andreas Stoch (SPD) reden, ehe er sich dazu äußere. Grundsätzlich lasse sich die Natur nicht einteilen in Chemie, Physik und andere Naturwissenschaften; diese Ordnung habe der Mensch vorgenommen, sagte Kretschmann. Dennoch zeigte sich der frühere Biologielehrer gegenüber einem Fächerverbund skeptisch. Kretschmann: „Die Schule kann nicht dort eine Einheit herstellen, wo sie die Wissenschaft noch gar nicht hat.“

Das Kultusministerium wies die „aufgekommenen Behauptungen“ anschließend zurück. „Die Reduzierung der Stunden für Biologie ist falsch“, sagte ein Sprecher von Kultusminister Stoch unserer Zeitung. „Genauso falsch ist die Behauptung, es gebe einen massiven Niveauverlust für das Fach Biologie. Leitlinien sind wie insgesamt beim Bildungsplan die vorgegebenen Standards der Kultusministerkonferenz“, so Stochs Sprecher weiter. Die Lerninhalte der einzelnen Fachbereiche Biologie, Physik, Chemie und Technik seien ganz ausdrücklich getrennt voneinander ausgewiesen und an den mit den anderen Bundesländern vereinbarten Bildungsstandards orientiert.

Konkret legt der neue Bildungsplan fest: Im Fächerverbund „Naturphänomene und Technik“ sollen künftig Themen aus den Fachbereichen Biologie, Chemie, Physik und Technik fächerübergreifend bearbeitet werden – das gilt dann für alle Schularten in den Klassen fünf und sechs. Trotzdem bleiben die einzelnen Fächer in der Zahl der unterrichteten Stunden vertreten: Vorgesehen sind insgesamt vier Wochenstunden Biologie und je eine Stunde Physik und Chemie. An (Werk-)Realschulen und Gesamtschulen kommt außerdem das Fach Technik hinzu. Bislang werden in den Klassen fünf und sechs aber nur zwei Stunden Biologie pro Woche unterrichtet: „Von einer Abschaffung des Biologieunterrichts kann also keine Rede sein“, betonte der Ministeriumssprecher.

Ziel des Fächerverbunds soll es sein, gemeinsame Methoden und Arbeitsweisen zu erlernen und Phänomene aus verschiedenen fachlichen Perspektiven zu erklären. Das heißt konkret, dass künftig auch fächerübergreifende Fragestellungen diskutiert werden sollen und eine Auseinandersetzung mit Zusammenhängen zwischen den einzelnen Fächern stattfinden kann. Bislang werden viele sich überschneidende Themen gleichzeitig in zwei Fächern unterrichtet.

Welche konkreten Inhalte aus der Biologie letztlich in den Lehrplänen landen, ist bislang noch unklar. In dem Bericht war gemutmaßt worden, dass zentrale Themen wie Klonen oder Pränataldiagnostik aus dem Biologieunterricht wegfallen könnten.

Die Pläne für das Gymnasium würden gerade erst erarbeitet, heißt es beim Kultusministerium. Ob so strittige Themen wie das Klonen wie bislang explizit in den Lehrplänen stehen werden, könne man daher noch gar nicht sagen. „Es erscheint unwahrscheinlich, dass solch wichtige Themen generell herausfallen werden“, meinte der Ministeriumssprecher.

Auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte vor Aufregung: „Der Beitrag ist sehr polemisch und gibt die Fakten der Bildungsplanreform verzerrt wieder“, sagte GEW-Sprecher Matthias Schneider. Die Naturwissenschaften würden bereits jetzt teilweise im Fachverband unterrichtet, es ändere sich daher mit dem Bildungsplan 2015 nicht viel. In Haupt- und Realschulen gibt es bislang in den Klassen fünf, sechs, sieben und zehn einen Fächerverbund für Naturwissenschaften, an Gymnasien wird das Fach „Naturphänomene“ in den Klassen fünf und sechs unterrichtet - allerdings bislang getrennt vom Biologieunterricht. Neu sei nun vor allem, dass ein Fächerverbund an allen Schularten nur noch in den Klassen fünf und sechs unterrichtet werden soll, so Schneider. Mit den geplanten Änderungen würden die von Schwarz-Gelb 2004 breit eingeführten Fachverbünde also eher wieder zurückgenommen, so Schneider. Zudem werde insgesamt eine Angleichung zwischen den Schularten geschaffen. Sie soll den Wechsel zwischen den Schularten erleichtern.