Ein Feuerwehrhubschrauber überfliegt eine überflutete Gemeinde im Nordpiemont. Foto: dpa-Bildfunk

In Südfrankreich und Norditalien richten Überschwemmungen riesige Schäden an. Im Dorf Saint-Martin-Vésubie in den Bergen nördlich von Nizza haben nicht einmal die Toten ihre letzte Ruhestätte behalten.

Nizza - Erschöpfte Helfer berichten von Bildern wie nach einem Krieg. Unglaubliche Wassermassen haben am Wochenende in einigen Tälern in Südfrankreich und Norditalien eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Dörfer wurden überflutet, Hunderte Häuser weggerissen, Brücken und Straßen zerstört. In dem Dorf Saint-Martin-Vésubie in den Bergen nördlich von Nizza ist der Friedhof des Ortes von den tosenden Fluten einfach weggespült worden.

Viele Häuser einfach weggespült

Nach einer ersten Bilanz sind in Italien zwei Tote zu beklagen, zwei Menschen werden dort noch vermisst. Ein freiwilliger Feuerwehrmann aus der Gemeinde Arnad im Aostatal starb bei einer Rettungsaktion durch einen umgestürzten Baum, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Im Piemont geriet laut Agentur ein Mann in der Nacht im Auto bei Vercelli in die Wassermassen des Flusses Sesia – er wurde weggespült. In Frankreich sind die Helfer noch auf der Suche nach acht Menschen. Zu den Vermissten zählten unter anderem zwei ältere Bewohner der rund 50 Kilometer nördlich von Nizza gelegenen Gemeinde Roquebillière, deren Haus von den Fluten mitgerissen wurde. Die Suchaktionen der rund 1000 Helfer gestalten sich aber äußerst schwierig, da viele Dörfer wegen fehlender Straßen von der Außenwelt abgeschnitten sind, ganze Täler mit Tausenden Haushalten sind ohne Strom.

Großes Glück für eine Wandergruppe

Großes Glück hatte eine 21-köpfige Treckinggruppe mit zwei Deutschen in der Nähe des Tenda-Passes im Hinterland der Côte d’Azur. Rettungskräfte hatten die Gruppe zunächst als vermisst gemeldet, sie konnten am Wochenende dann aber doch gefunden und in Sicherheit gebracht werden. Französische Feuerwehrleute berichteten, die Wanderer seien am Freitagabend in der Nähe eines Tunnels von zwei Erdrutschen auf der Straße blockiert worden. Sie hätten im alten Bahnhof von Viévola Unterschlupf gefunden und seien von dort am Samstag mit Hubschraubern nach Italien gebracht worden.

Ungewöhnlich starke Regenfälle

Ausgelöst wurden die Flutwellen in den engen Alpentälern durch ungewöhnlich starke Regenfälle. Am Freitag sei in wenigen Stunden ein halber Meter Regen gefallen, „so viel ist noch nie gemessen worden“, sagte Frankreichs Regierungschef Jean Castex. Er war zusammen mit dem Innenminister Gérald Darmanin in das betroffene Gebiet geeilt, um sich ein Bild von den Verwüstungen im betroffenen Département Alpes-Maritimes zu machen.

Castex sicherte der Bevölkerung Unterstützung zu; an diesem Mittwoch werde das Kabinett in Paris den Katastrophenzustand für die betroffenen Gemeinden ausrufen. Der Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, war sichtlich betroffen: „Wir sind mit einem Unglück konfrontiert, wie ich es im (Département) Alpes-Maritimes noch nicht erlebt habe.“

Regionen hoffen auf die Regierung

Auf italienischer Seite sprach der Regionalpräsident des Piemont von den schwersten Unwettern in der Region seit 1994, der Bürgermeister der ligurischen Grenzstadt Ventimiglia, Gaetano Scullino, von der „größten Katastrophe seit 1958“. Beide Regionen forderten die Zentralregierung in Rom auf, den Notstand zu erklären. Sie seien aufgrund der Corona-Krise bereits an der Grenze ihrer Möglichkeiten, ohne Hilfe Roms würden sie sich „nicht mehr erholen“, warnten die Regionalpräsidenten am Sonntag in einem gemeinsamen Schreiben. Ministerpräsident Giuseppe Conte versprach die „größtmögliche Aufmerksamkeit“ seiner Regierung.

Am Sonntag hat sich die Wetterlage in den betroffenen Tälern deutlich verbessert. Die Helfer konnten damit beginnen, mit Hubschraubern Medikamente und Trinkwasser in die Dörfer zu fliegen. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Sonntagnachmittag, es gebe aktuell keine Hinweise auf deutsche Opfer.