Die Krücken sind eine Sonderanfertigung. Foto: Rüdiger Ott

Für den alten Baum hat die Stadt spezielle Stützen bauen lassen.

Sillenbuch - Die Krücken haben schwer zu tragen. Sie stützen einen dicken, wuchtigen Baum – damit der nicht zusammenbricht. Denn dass dies passiert, ist gar nicht so abwegig. Die Krone ist angerissen. In diesem Fall will die Stuttgarter Stadtverwaltung der Natur allerdings nicht ihren freien Lauf lassen. Der Grund: Die Winterlinde, die nahe des Sillenbucher Ortsschilds an der Kemnater Straße wächst, ist ein Denkmal. Genauer gesagt: ein Naturdenkmal mit der amtlichen Nummer 18/6. Und deshalb soll die Linde bleiben, wie sie ist, und das so lange wie nur möglich.

Ein Baum wird dann ein Fall für die Denkmalschützer, wenn es sich um eine besondere oder seltene Art handelt. Oder aber eine historische Person, wie zum Beispiel Napoleon Bonaparte, hat der Überlieferung nach unter der schattigen Krone des Baumes Rast gemacht. Ein anderer Grund für den Schutz ist, dass ein Baum die Landschaft prägt.

Letzteres trifft auf die Sillenbucher Winterlinde zu. Sie hat zwar ihre besten Jahre hinter sich, gilt jedoch wegen ihrer Eigenart und ihrer Funktion eines Tierbiotops als schützenswert. So teilt es das Stuttgarter Amt für Umweltschutz mit; die Behörde verwaltet Denkmale wie jene Winterlinde. Wie alt das Holzgewächs an der Kemnater Straße ist, weiß bei der Stadt allerdings keiner. Im Naturdenkmalbuch aus dem Jahr 1993 ist die Linde als „großkroniger, alter, das Landschafts- und Straßenbild prägender Solitärbaum“ beschrieben.

„Das ist nicht einfach eine Straßenlaterne, die entsorgt wird“

Und weil das so ist, hat die Stuttgarter Stadtverwaltung im Jahr 1994 von einer Schlosserei spezielle Stützen für die Winterlinde bauen lassen. „Das ist eine Maßanfertigung“, sagt Till Teckentrup, der Baumexperte beim Gartenamt. „Spezieller geht es nicht.“ Und damit seien die Baumkrücken ein Einzelfall. „Man versucht, ihn so lange wie möglich zu halten“, sagt Till Teckentrup. Die Leute hängen an diesem Baum, „das ist nicht einfach eine Straßenlaterne, die entsorgt wird“, sagt er.

Wie lange sich das Ableben der Winterlinde in die Zukunft verschieben lässt, vermag der Mann vom Gartenamt nicht zu sagen. „Jeder Baum ist irgendwann am Ende“, sagt er. „Die Krone wird nach und nach weniger.“ Und weil die Gesundheit der Krone in direktem Zusammenhang mit der Gesundheit der Wurzeln steht, wird der Baum an der Kemnater Straße nicht für alle Zeiten gerettet werden können. „Es ist eine Symmetrie“, sagt Till Teckentrup.

Der Mähdrescher zieht seine Bahnen auf dem Feld neben der Winterlinde. Das Gefährt darf dem Holzgewächs auf keinen Fall zu nahekommen. Die Verordnung zu Naturdenkmalen verbietet die landwirtschaftliche Nutzung unterhalb der Krone von Bäumen wie diesem.