Wann dürfen Bäume gefällt werden und wann nicht? Die Baumschutzsatzung klärt diese Frage. Aber sie gilt nicht in ganz Stuttgart. Foto: dpa

Damit nicht wahllos alte Bäume gefällt werden, gibt es in Stuttgart eine Baumschutzsatzung. Diese gilt aber nicht in den Außenstadtbezirken. Eine Frau aus Stuttgart-Kaltental hält das für falsch.

Kaltental - Warum hat Kaltental keine Baumschutzsatzung? Diese Frage stellt sich Maria Frank-Wolf. Im Stuttgarter Süden gilt das von der Stadt 2013 erlassene Gesetz. Aber Kaltental wird ausgespart. Das kann Frank-Wolf nicht verstehen. „Im Zuge der Klimaerwärmung und Verschlechterung der Luftqualität wäre es dringend angebracht, Kaltental in die Baumschutzsatzung mit aufzunehmen“, findet sie.

Ein aktueller Fall brachte sie zu dieser Überlegung. An der Gallusstraße wurde Anfang dieser Woche ein mehr als 80 Jahre alter Baum gefällt. Er stand auf der Grenze zweier Privatgrundstücke. „Die Fichte hat bisher alle Stürme und Trockenjahre gut überstanden, auch ein Borkenkäferbefall ist nicht sichtbar. Die Standfestigkeit des Baumes wurde regelmäßig geprüft“, sagt Frank-Wolf. Es habe keinen dringenden Grund gegeben, den Baum zu eliminieren. Es seien optische Argumente, die für die Fällung genannte worden seien, verbunden mit dem Hinweis, dass die Fichte kein einheimisches Gewächs sei.

Rechtlich ist alles einwandfrei

Frank-Wolf stellt klar: Der Baum habe gefällt werden dürfen, rechtlich sei alles einwandfrei. Trotzdem ergeben sich für sie folgende Fragen: „Ist solch ein alter Baum nicht schützenswert? Allein die zahlreichen Vögel und die vielen Kleinlebewesen, die den Baum bevölkern, wären ein ausreichender Grund, den Baum nicht zu fällen“, findet Frank-Wolf. Sie kritisiert auch, dass es bei einer fehlenden Baumschutzverordnung keine Auflagen gebe, einen neuen Baum zu pflanzen, wenn man einen alten Baum entferne. Und sie argumentiert: Kaltental sei geprägt von Fichten und Tannen. Sie seien Zeichen einer bestimmten Bauzeit und somit auch ortsprägend.

„Eine Baumschutzordnung hätte die Fällung erschwert und zumindest einen gewissen Naturschutz gewährleistet“, sagt Frank-Wolf. Für die Kommunalpolitiker sollte dies ein Thema für die Zukunft sein. „Es muss verhindert werden, dass weiterhin zahlreiche Bäume sinnlos gefällt werden“, so ihr Fazit.

Die Satzung fokussiert auf besonders verdichtete Stadtteile

Auf Anfrage bei der Stadt erklärt die Pressestelle in einer schriftlichen Stellungnahme: „In Stuttgart gibt es rund 180 000 Stadtbäume auf öffentlichen Grundstücken. Hinzu kommen weitere tausend Bäume in privaten Bereichen. Vor allem im Stadtgebiet sorgen sie für frische Luft, spenden Schatten und kühlen den Talkessel.“ Zum Schutz dieser Bäume sei 1985 die Baumschutzverordnung als Rechtsverordnung erlassen worden. 1992 sei diese mit dem Naturschutzgesetz Baden-Württemberg ohne Änderungen in eine Satzung übergeleitet worden. „Um den steigenden Ansprüchen und Anforderungen zu entsprechen, wurde die Satzung 2013 überarbeitet“, schreibt die Stadtverwaltung. Dabei sei es vor allem darum gegangenen, Rechtssicherheit herzustellen.

Der Geltungsbereich der Satzung fokussiere sich auf die Innenstadtbezirke und verdichtete Stadtteile wie in Bad Cannstatt. „In diesen Gebieten ist es besonders wichtig, Bäume zu schützen und zu erhalten. Hier sorgen sie für ein gutes Klima und steigern die Lebensqualität im Bezirk“, heißt es in der Stellungnahme der Stadtverwaltung.

„Wir Menschen brauchen Bäume“

Das würden die Bäume aber in jedem anderen Stadtteil auch tun, entgegnet Maria Frank-Wolf. Sicher, die Baumschutzsatzung sei damals vor allem deshalb überarbeitet worden, um Investoren in der Innenstadt davon abzuhalten, für Neubauprojekte große Bäume zu fällen, so ihr Eindruck. „Aber in der Zwischenzeit sind wir in Sachen Umwelt- und Klimaschutz doch noch viel mehr gefordert. In den Köpfen der Menschen muss was passieren. Ein paar Blümchen und Sträucher reichen nicht mehr aus.“ Ihr Fazit: „Die Bäume brauchen keine Menschen. Aber wir Menschen brauchen Bäume.“