Schöne Ausblicke im Nationalpark Schwarzwald Foto: dpa

Es war sozusagen das Prestigeprojekt der alten Landesregierung: Grün-Rot setzte in seiner Amtszeit den Nationalpark Schwarzwald durch. Der große Chor der Kritiker ist still geworden. Und nun?

Freudenstadt - Wer in diesen Tagen durch das Murgtal von Baiersbronn hinab Richtung Rastatt unterwegs ist, bewegt sich wie in den Jahren zuvor durch eine bei Radfahrern wie Wanderern beliebte Region Baden-Württembergs. Nur ganz aufmerksame Beobachter entdecken ab und zu noch die Protestplakate der Gegner des Nationalparks Schwarzwald, jenen schwarzen Schriftzug auf grünem Grund, das Ganze – wie bei den Plakaten zu Stuttgart 21 – durchgestrichen mit einem roten Balken. „Der Groll ist noch da, und unseren Verein gibt’s auch noch“, sagt Andreas Fischer, Vorsitzender des Vereins Unser Nordschwarzwald und einer der Wortführer des einstigen Widerstands. Aber auch er muss einräumen: „Der Nationalpark ist nun mal da. Wir können ihn ja nicht beseitigen.“

Was hatten Fischer und seine Mitstreiter nicht alles versucht. Wo auch immer Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein damaliger Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (beide Grüne) auftauchten und für ihr Lieblingsprojekt warben, die Gegner waren schon da. Mit Straßenblockaden durch schleichende Traktoren, mit Langholzfuhrwerken, mit gellenden Pfeifkonzerten, mit wütenden Demonstrationen. Das Projekt, angesiedelt zwischen Baden-Baden im Norden und Baiersbronn im Süden, führte zu heftigen Diskussionen und vielen Verwerfungen – in Familien und Vereinen gleichermaßen wie am Arbeitsplatz.

Nationalpark erfreut sich wachsender Beliebtheit.

Doch mit der Zustimmung des Landtags im November 2013 war der Widerstand praktisch gebrochen, auch wenn die CDU seinerzeit versprach, im Fall der Regierungsübernahme nach der Landtagswahl 2016 so manches auf den Prüfstand stellen zu wollen. Doch das dürfte nicht kommen, nachdem die CDU nun in der Koalition nur Juniorpartner der Grünen ist. Zwar haben sich die beiden Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag zum Nationalpark bekannt und wollen „gemeinsam an seiner Weiterentwicklung arbeiten“, aber das betrifft vor allem den geplanten Bau des Nationalparkzentrums am Ruhestein, die angedachte Ansiedlung eines Wildtierparks und die Erstellung eines digitalen Verkehrskonzeptes. Schon vor Monaten hatte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in Baiersbronn angekündigt, der Nationalpark solle „ein Modellprojekt für nachhaltige Mobilität werden“. Nach dem Motto: Nicht jeder Besucher reist mit seinem eigenen Auto an, stattdessen gibt es Shuttlebusse ins 10 000 Hektar große Gebiet.

So weit freilich ist es noch lange nicht. Zwar erfreut sich der Nationalpark wachsender Beliebtheit – eine Zählung im Oktober 2015 an über 100 Wegkreuzungen erbrachte rund 8000 Besucher pro Tag –, aus Sicht von Fischer aber gibt es viel zu tun. Sein Verein hat inzwischen einen Zehn-Punkte-Plan aufgestellt, den man Stück für Stück abarbeiten will. In dem Papier wird unter anderem die Reduzierung des jährlichen Nationalpark-Etats auf 4,0 statt auf über 8,6 Millionen Euro gefordert (der Personalbestand soll am Ende bei rund 80 Mitarbeitern liegen) und eine verbindliche Zusage der Regierung angemahnt, dass es keine Flächenerweiterung gibt. Immer wieder wurde zuletzt darüber spekuliert, dass die Lücke zwischen beiden Teilgebieten des Nationalparks in nicht allzu ferner Zukunft durch einen Gebietstausch geschlossen werden könnte. Derzeit ist dieses Areal noch im Privatbesitz, während die Fläche des Nationalparks Staatswald ist.

In der neuen Landesregierung fehlt der Ansprechpartner.

„Jeder unserer Punkte ist wichtig“, beteuert Fischer tapfer und will in den nächsten Tagen bei einer Vorstandssitzung seines Vereins die weitere Vorgehensweise besprechen. Auch der Kontakt mit der neuen Landesregierung ist angedacht. Nur wen ansprechen? Bisher war allein das Landwirtschaftsministerium zuständig, nun haben auch Umweltminister Franz Untersteller (zuständig für Naturschutz) und Justizminister Guido Wolf (zuständig für Tourismus) ein Wort mitzureden. „Es gibt eine lange Liste von Versprechungen, die bisher nicht eingehalten wurden“, sieht Fischer durchaus Diskussionsbedarf. Als Beleg führt er unter anderem eine Äußerung des Freudenstädter Oberbürgermeisters Julian Osswald ins Feld, der neulich mit Blick auf die angedachte Ansiedlung des Tierparks unweit der Alexanderschanze an der B 500 gesagt haben soll: „Wir brauchen solche Einrichtungen, weil der Nationalpark touristisch nichts bringt.“ Aus Sicht von Fischer werden damit die Vorzeichen verkehrt: „Die Politik hat uns doch immer gesagt, der Naturschutz soll der größte Profiteur des Nationalparks sein und nicht der Tourismus.“

Patrick Schreib, Tourismuschef von Baiersbronn, wo der Protest einst besonders heftig ausfiel, sieht das naturgemäß anders. „Wir spüren ein wachsendes Interesse der Menschen.“ Dass gut zwei Jahre nach der Eröffnung noch nicht alles rundlaufen kann, sei doch aber „ganz normal“. Wichtig sei, dass „alle mitgenommen werden“. Soll heißen: umfassende Beteiligung und Transparenz. So wie diese Woche, wenn die Bürger auf den neuesten Stand gebracht werden.

„Aus den Gegnern sind keine Befürworter geworden“

Entscheidend für die dauerhafte Akzeptanz aber dürften die nächsten Monate werden. Denn dann muss der sogenannte Nationalparkplan fertiggestellt werden. Er ist die Agenda für die Entwicklung der nächsten Jahre, bestehend aus 13 Modulen. Dazu gehören ein Tourismuskonzept genauso wie die Verkehrsplanung und das Wegekonzept. An Letzterem wird derzeit „besonders intensiv gearbeitet“, wie die zuständige Expertin der Nationalparkverwaltung, Britta Böhr, sagt. „Wir erfassen, wie viele Wege es im Nationalparkgebiet gibt und welche wir künftig noch brauchen.“

Genau das war stets einer der zentralen Kritikpunkte der Gegner gewesen. Radfahrer, Wanderer, Schneeschuhgeher und Langlauffreunde fürchten, dass mancher Weg künftig nicht mehr nutzbar ist, weil er aus Natur- oder Tierschutzgründen geschlossen wird. Auch bei Waldbauern herrscht noch Skepsis. Sie hatten zusammen mit Sägewerksbetreibern und Holzunternehmen über Monate hinweg vor Einbußen bei ihren Geschäften gewarnt und vor allem Landwirtschaftsminister Bonde zu ihrem zentralen Gegner gemacht. Nichts mehr würde vom Wald übrig bleiben, wenn der Wald nicht mehr bewirtschaftet werden könne und sich der Borkenkäfer massenhaft vermehre. Als Beleg hatten sie immer wieder dürre Nadelbaumgerippe hochgereckt.

Das passiert jetzt nicht mehr. „Aus den Gegnern sind keine Befürworter geworden“, weiß Schreib. Aber aus vielen Gesprächen weiß er auch, „dass jetzt nicht mehr jeden Abend an den Stammtischen über den Nationalpark diskutiert wird“. Viele hätten vielmehr die Einstellung: „Jetzt ist er da, und wir machen das Beste daraus.“