Thomas Müller (links) im Zweikampf mit Simon Poulsen. Foto: dpa

Das Märchen von 2010 ist ins Stocken geraten – der WM-Torschützenkönig spürt den Alltag.

Danzig - Es war einmal ein Fußballspieler, der war ein Niemand und kam aus dem Nichts. Dann traf er fünfmal bei der WM 2010 in Südafrika, wurde Torschützenkönig, Liebling der Fans und bayerischer Gaudibursch. Und ganz Deutschland fragte sich: Alles Müller – oder was?

Zwei Jahre später hat der Kerl mit dem kantigen Kinn die Chance, an das Märchen von 2010 anzuknüpfen. Mutterseelenallein steht er plötzlich vor dem dänischen Torhüter, zu plötzlich, um vernünftig abzuschließen. Sein Gegenüber wehrt ab, und plötzlich steht die Frage im Raum: Nichts mehr Müller – oder was?

Keine Frage, Thomas Müller (22) spürt zurzeit den Fluch der guten Tat. „Unbewusst hat mich die WM unter Druck gesetzt“, sagt er, „mir ist schon klar, dass ich da wie eine Rakete hochgeschossen bin, aber dazu gehört Können und eine ganze Portion Glück.“ Es klingt, als wolle er sich rechtfertigen. Dabei zählt für ihn nur, „dass ich mit mir im Reinen bin“. Auch ohne Tore.

„Ich habe mich in den vergangenen Jahren eher als Vorbereiter denn als Torjäger gezeigt“

13 Treffer hat er in seinem ersten vollen Profijahr in der Bundesliga für den FC Bayern erzielt, zwölf waren es im zweiten. Im vergangenen Jahr waren es sieben. „Ich habe mich in den vergangenen Jahren eher als Vorbereiter denn als Torjäger gezeigt“, sagt er. 13 Torvorlagen sprechen für sich, seine fünf WM-Tore eher dagegen. Trotzdem klingt es wieder wie eine Entschuldigung. „Man kann sagen, bei der WM hätte der Müller das Ding gemacht“, weiß er, „das muss ich besser machen, das habe ich auch schon besser gemacht.“

Keine Frage, Müller nutzt die Räume auf dem rechten Flügel clever wie eh und je, ist immer in Bewegung und dem Gegner gedanklich häufig einen Schritt voraus.Trotzdem hat er seine schwächste Bundesligasaison hinter sich. Und bei der EM sucht er ebenfalls noch nach seiner Form. Er hört die kritischen Stimmen und sagt: „Da darf man sich nicht verrückt machen lassen.“

Aber das Leichte, das Verschmitzte ist ihm verloren gegangen. Stattdessen holt er zur Kritik an den deutschen Medien aus und nölt: „Ich finde es ein wenig komisch, dass von den Medien so auf die Euphoriebremse gedrückt und nach Fehlern gesucht wird, obwohl wir mit neun Punkten die Erwartungen übertroffen haben. Man sollte das Ganze etwas positiver resümieren.“ Sonst fürchte er, dass, „wenn man den EM-Titel holen würde, man sich dafür schämen müsste“.

Immerhin, Lisa, seine Frau, ist rechtzeitig zum Viertelfinale gegen Griechenland an diesem Freitag (20.45 Uhr/ZDF) in Danzig eingetroffen. Sie hellt seine düstere Stimmung auf, wie Müller auf die Frage nach der weiblichen Unterstützung, allen voran durch Kanzlerin Angela Merkel, einräumte: „Für uns ist es wichtig, dass uns ganz Deutschland unterstützt und nicht nur die Hälfte. Deutsche Frauen gehören ja auch zu Deutschland.“ Gut zu wissen.