Ilkay Gündogan: Ein erster Schritt in Richtung Normalität scheint getan. Foto: AFP

Mit Spannung wurde erwartet, wie die Fans auf die DFB-Elf, aber auch auf Ilkay Gündogan reagieren. Würden die Fans die schwache WM und die Erdogan-Fotos verzeihen?

München - Als die Nummer 21 draußen am Spielfeldrand aufleuchtet, bricht gerade die 66. Spielminute an, und es gibt den ultimativen Stimmungstest in Münchens Arena. Ilkay Gündogan steht bereit zur Einwechslung – und wenn man so will, ist zumindest in diesem Fall der Neuanfang geglückt. Nicht restlos zwar, aber es gab ihn, den großen Fortschritt. Denn Gündogan wurde nur noch vereinzelt ausgepfiffen, es gab deutlich mehr Applaus als Unmutsbekundungen, die meisten der Zuschauer in der ausverkauften Arena nahmen die Einwechslung ruhig zur Kenntnis.

Sind die umstrittenen Fotos verziehen?

Die umstrittenen Fotos mit dem türkischen Staatspräsidenten vor der WM, die endlose Debatte, die ins Turnier hineinreichte, die Pfiffe vorher im letzten Test in Leverkusen gegen Saudi-Arabien, all das hallt nun irgendwie immer noch nach. Aber das Surren, das Grummeln und vor allem die Pfiffe gegen Gündogan werden leiser. Als Gündogan nach seiner Einwechslung in Minute 73 eine Schusschance hat, schreien tausende Kehlen den Klassiker in so einem Fall: Schiiiiiieeßßß. Und nach dem Schuss gab es: Applaus. Von allen.

Der Anfang ist also gemacht, der erste Schritt der Versöhnung Gündogan/Fußballvolk ist vollzogen – was auch losgelöst für von Gündogan an diesem Fußballabend gilt.

Höflich, zurückhaltend und manchmal sogar ein bisschen lauter

Die große Frage des Abends war ja auch, wie die Mannschaft nach der desaströsen WM im ersten Heimspiel danach empfangen wird – und auch hier ist der erste Schritt in Richtung Normalität getan. Nicht überschwänglich, aber freundlich wurde das deutsche Team beim Aufwärmen begrüßt, es gab Applaus, und während des Spiels die bei Länderspielen übliche Unterstützung. Höflich zurückhaltend, mit viel Leerlauf, nur manchmal ein bisschen lauter, vor allem, als die deutsche Elf in Hälfte zwei drauf und dran war, die Führung zu erzielen.

Als großes Sinnbild für die erste Aussöhnung taugte auch ein großes, choreografiertes Herz über drei Stadionränge in der Südkurve der Arena im Münchner Norden, das der deutsche Anhang beim Einlaufen der Mannschaften gebildet hatte. Ein Herz und eine Seele sind die Fans und das Team noch nicht wieder nach der Weltmeisterschaft – aber es gab erste, wichtige Ansätze zur Besserung in der Beziehungskrise. Zum Schluss übrigens gab es sogar noch La Ola. Nicht alle standen auf, nicht alle machten mit – aber auch hier gilt: Ein Anfang ist gemacht.