Die „Schalung“ von NasanTur steht dem Kriegerdenkmal in Göppinger Oberhofenpark gegenüber. Foto: Kunstverein Göppingen

Die politische Vereinnahmung von Kunst ist das Thema von Nasan Tur. Der Berliner Künstler hat nun in Göppingen seine kritische Handschrift hinterlassen.

Göppingen - Einer hitzigen politischen folgt nun die künstlerische Auseinandersetzung über das umstrittene Kriegerdenkmal im Göppinger Oberhofenpark. Vor vier Jahren hatten die Grünen im Gemeinderat vergeblich gefordert, den Tausch rückgängig zu machen, den Nationalsozialisten 1939 vorgenommen hatten. Das Standbild zweier strammer Soldaten verdrängte damals die christlich orientierte „Pietà“, eine trauernde Mutter mit ihrem toten Sohn im Arm. Die „Pietà“ landete auf dem Neuen Friedhof, während das von den Nazis bei Fritz Nuss in Auftrag gegebene Kriegerdenkmal bis 1946 hinter einem Bretterverschlag verschwand. Nun hat sich der Berliner Künstler Nasan Tur auf Einladung des Göppinger Kunstvereins mit der Thematik beschäftigt und eine Art Anti-Skulptur geschaffen.

Nasan Tur schaue hin, wo andere wegsähen, sagt Veronika Adam

Tur gehört nach Ansicht von Veronika Adam, der künstlerischen Leiterin des Kunstvereins derzeit zu den politisch spannendsten Künstlern. Wo andere wegsähen, schaue Nasan Tur umso genauer hin und entwickle daraus ein Kunstprojekt. Bereits vor einem Jahr führte Adam Tur zu interessanten Orten in Göppingen mit der Absicht, den Berliner Künstler mit der örtlichen Geschichte vertraut zu machen und ein Thema für ein künstlerisches Projekt im öffentlichen Raum zu entdecken.

Herausgekommen ist dabei „Schalung“, wie Tur seine Arbeit nennt, die die Formensprache der Skulptur von Fritz Nuss aufnimmt und ebenfalls zwei stehende Figuren erkennen lässt. Beide Arbeiten stehen sich nun im Oberhofenpark Aug in Aug gegenüber. Allerdings zitiert Tur mit dieser vereinfachten kantigen Holzform, wie es Adam formuliert, das verhüllte Kriegerdenkmal, wie es wohl nur noch den älteren Göppingern in Erinnerung sein dürfte.

Das Kriegerdenkmal befand sich lange in einem Bretterverschlag

Es gehört zu der ungewöhnlichen Geschichte der Nuss-Skulptur, dass sie zwar bereits 1939 im Oberhofenpark aufgestellt wurde, aber nicht enthüllt wurde, denn die feierliche Übergabe wollten sich die Nazis für den Endsieg aufsparen. So blieb das Standbild jahrelang verborgen; erst 1946 wurde es unfeierlich enthüllt. Und die „Pietà“, die an die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs erinnerte und die nicht mehr dem Zeitgeist entsprach, fristete ein Schattendasein am neuen Standort.

Nasan Tur thematisiere mit seiner neuen Arbeit die machtpolitische Instrumentalisierung sowie die politische und gesellschaftliche Vereinnahmung von Kunst, erklärte Adam bei der Enthüllung. Und über den Göppinger Fall hinaus wolle Tur auf den vergangenen und gegenwärtigen Missbrauch von Kunst aufmerksam machen.

Heute erinnern Infotafeln an die ungewöhnliche Geschichte

Eine Debatte über das Kriegerdenkmal war in Göppingen zuletzt im Jahr 2013 aufgeflammt. Damals wurde gestritten, ob man das Denkmal in ein „Mahnmal für die Opfer zweier Weltkriege“ umdeuten dürfe, wie es die Freien Wähler vorgeschlagen hatten. Man beschloss schließlich, die historischen Skulpturen an ihren Orten zu belassen und auf Tafeln ihre Geschichte zu erläutern. Auf Inschriften an der benachbarten Mauer zu den Mörike-Anlagen, wo die Namen der Göppinger Gefallenen an das individuelle Leid erinnern, wird außerdem das gesamte Ausmaß des Kriegsschreckens mit mehr als 60 Millionen Toten im Zweiten Weltkrieg thematisiert.