Der Rathausschlüssel – Symbol der Macht und Objekt der Begierde – ist wieder ins Visier der Narren geraten. Foto: Horst Rudel/Archiv

Die Narren übernehmen die Macht in den Faschingshochburgen im Kreis Esslingen. Sie erwartet ein bestelltes Feld. In Neuhausen und Wernau haben die Verwaltungen den Boden für den närrischen Samen bereitet.

Wernau/Neuhausen - Die Zahlen sind seit Jahren in Stein gemeißelt. Zwischen 30 000 und 40 000 Besucher werden sowohl in Wernau als auch in Neuhausen am Straßenrand stehen, wenn sich die närrischen Lindwürmer durch die Gassen winden. Zur fünften Jahreszeit herrscht der Ausnahmezustand in der 11 500 Einwohner zählenden Fildergemeinde und in dem nur wenig größeren Städtchen im Neckartal. Zwar organisieren die Narren ihre Umzüge am Samstag (Wernau) und Sonntag (Neuhausen) in Eigenregie, doch das Feld, auf dem der Narrensamen ungestört wachsen kann, haben zuvor die Verwaltungen bereitet.

Der G-20-Gipfel im Juli des vergangenen Jahres in Hamburg hat die Bundesrepublik Deutschland dem Vernehmen nach unterm Strich mehr als 72 Millionen Euro gekostet. Der sechstägige Narrengipfel in Wernau belastet die Stadtkasse regelmäßig mit 10 000 bis 20 000 Euro. „Da sind die Arbeitsstunden für den Ordnungsdienst und den Bauhof allerdings noch nicht mit eingerechnet“, sagt Armin Elbl, der Wernauer Bürgermeister.

Falsch geparkte Autos werden „umgesetzt“

Die fehlenden Zahlen hat der Hauptamtsleiter der Fildergemeinde Neuhausen, Bernd Schober, parat. „Unser Ordnungsamt und der Bauhof ist unmittelbar vor und an den Veranstaltungstagen im Dauereinsatz“, sagt er. Auf rund 200 Mannstunden schätzt Schober den Aufwand, mit dem die Umzugsstrecke abgesperrt, gesichert und überwacht wird. Letzteres wird in Neuhausen regelmäßig auch rund einem Dutzend Autofahrern zum Verhängnis, die das im Vorfeld verhängte Parkverbot entlang der Umzugsstrecke missachtet haben. „Im letzten Jahr haben elf Autofahrer ihre Fahrzeuge am Edeka-Parkplatz in der Albstraße wieder auslösen müssen“, sagt Schober. 159 Euro kostet eine Umsetzung, wie das zwangsweise Abschleppen in der Behördensprache heißt. Die obligatorische Verwarnung schlägt noch einmal mit 35 Euro zu Buche. Die närrische Rechnung geht für die Gemeinde trotzdem nicht auf. Allein 15 zusätzliche Toiletten hat Neuhausen links und rechts der 1600 Meter langen Umzugsstrecke aufstellen lassen. Dazu kommen noch zwölf Urinale für das ganz dringende Bedürfnis.

Nicht schlecht Geld in die Hand genommen, viele Arbeitsstunden investiert – und die Ernte fahren die anderen ein. Wenn am Donnerstag die Rathäuser gestürmt werden, dann sind Armin Elbl in Wernau und sein Neuhausener Amtskollege Ingo Hacker erst einmal die Schlüsselgewalt los. Beide Amtschefs müssen sich vor dem Narrengericht verantworten.

Dichter und Choreograf helfen dem Gemeinderat auf die Sprünge

Elbl, seit närrischen elf Jahren Schultes in Wernau, trifft es nicht unvorbereitet. In jungen Jahren hat er, in der Faschingshochburg groß geworden, noch nach Schokoladenstückchen getaucht, mit denen der Schultes traditionell aufgewogen wird. Jetzt muss er sich selbst für seine (Un-)Taten verantworten. An seiner Schuld besteht allein schon von Amts wegen kein Zweifel. Doch Elbl will dagegenhalten – flankiert von seinem – mitgehangen, mitgefangen – Gemeinderat. „Wir haben einen Dichter verpflichtet und mit einem Choreografen geübt“, gesteht der Schultes. Seine Verteidigungsrede soll schließlich aus einem Guss sein. Vielleicht erweicht der tanzende Gemeinderat dann doch noch die Herzen der unbarmherzigen Narren.