Bundesinnenminsterin Nancy Faeser steht SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl bereit. Foto: dpa/Michael Kappeler

Lange gab es Spekulationen - nun schafft Bundesinnenministerin Faeser Klarheit. Sie will erste Regierungschefin von Hessen werden. Kritik an der künftigen Doppelrolle gab es schon vor der Ankündigung - und flammt prompt wieder auf.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat ihre Spitzenkandidatur für die SPD bei der hessischen Landtagswahl im Oktober angekündigt. „Ja, ich kandidiere“, schrieb sie am Donnerstag ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Ministerium in einem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag. Ihr Ministeramt wolle sie vorerst behalten, sagte sie auch dem „Spiegel“ im Interview. „Ich bin die erste Frau an der Spitze des Bundesinnenministeriums - und ich möchte die erste Ministerpräsidentin in Hessen sein“, schrieb Faeser in ihrem Brief. Darin stellte sie auch klar, dass sie bei einer Wahlniederlage in Hessen im Bundeskabinett bleiben wolle.

Sie habe in schwierigen Zeiten die Verantwortung für das Bundesinnenministerium übernommen, schrieb Faeser. „Diese Verantwortung gebietet es mir, meine Aufgaben auch weiterhin ebenso klar und ernsthaft zu erfüllen wie bisher.“ Sie werde ihr Amt „auch weiterhin mit voller Kraft und Leidenschaft ausfüllen“, sicherte sie zu.

Die Landtagswahl ist am 8. Oktober. Faeser erklärte, dass es in einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit sei, dass Kandidatinnen und Kandidaten auch aus Ämtern heraus für Wahlen kandidieren. Als Beispiel nannte sie den früheren CDU-Bundesinnenminister Manfred Kanther, der 1995 als Spitzenkandidat in Hessen bei der Landtagswahl antrat. Kanther verlor und blieb danach weiter Innenminister.

In den vergangenen Tagen war viel über eine mögliche Kandidatur Faesers spekuliert worden. Nicht nur die Union, sondern auch der Koalitionspartner FDP mahnte, in Krisenzeiten mit einem Krieg in Europa, großen Fluchtbewegungen und einer weiterhin hohen terroristischen Bedrohung könne man nicht gleichzeitig mit dem gebotenen Einsatz das Bundesinnenministerium führen und in Hessen Wahlkampf machen.

„Für einen langen Wahlkampf sind die Zeiten ohnehin zu ernst“, schrieb Faeser mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zudem wolle sie weiter innenpolitische Reformen umsetzen, wie im Koalitionsvertrag angekündigt.

Offen ist, wer Faeser im Amt nachfolgen würde, falls die SPD die Wahl in Hessen gewinnen sollte. Der frühere niedersächsische Innenminister Boris Pistorius war eine Zeit lang als potenzieller Nachrücker gehandelt worden. Der SPD-Politiker steht aber inzwischen an der Spitze des Verteidigungsministeriums. Da es schon bei der Ernennung von Pistorius Kritik gab, weil dem Kabinett dadurch mehr Minister als Ministerinnen angehören, dürfte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dann entweder in der Partei auf die Suche nach einer erfahrenen Frau gehen oder eine größere Kabinettsumbildung anstoßen.

In Hessen sind die Sozialdemokraten seit 1999 in der Opposition

In Hessen sind die Sozialdemokraten seit 1999 in der Opposition. Die Christdemokraten gehen mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Boris Rhein ins Rennen. Für die seit 2014 mitregierenden Grünen kandidiert Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. An diesem Freitag ist Faeser in Friedewald beim Hessen-Gipfel der SPD.

Die Partei- und Fraktionschefin der Bundes-AfD, Alice Weidel, forderte den sofortigen Rücktritt von Faeser als Ministerin. „Dieses Amt ist nicht dazu gedacht, es als Wahlkampfplattform zu missbrauchen“, sagte sie dem Nachrichtenportal „t-online“.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), sagte: „Faeser wird jetzt für Monate Wahlkampf in Hessen betreiben und das Innenministerium in einer der schwierigsten Zeiten als Nebenjob führen.“ Damit setze sie ihre Karrierewünsche über die Verantwortung für die innere Sicherheit.

Kritische Stimmen kamen nicht nur aus der Opposition. „In solchen Zeiten darf man politisch nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen“, sagte der Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, Konstantin von Notz, ebenfalls „t-online“. Er mahnte: „Die sich nun abzeichnende, monatelange Doppelbelastung darf keinesfalls zu Lasten der Inneren Sicherheit des Landes gehen.“ Es gebe zahlreiche drängende innenpolitische Gesetzesvorhaben.

Auch die Polizeigewerkschaft sieht Faesers Pläne skeptisch. „Wir haben wegen des Ukraine-Krieges und der Migration eine politisch sehr schwierige Situation“, sagte Andreas Roßkopf, bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zuständig für die Bundespolizei, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das Bundesinnenministerium sei zudem sehr anspruchsvoll. „Man ist damit eigentlich voll ausgelastet.“