Das Wappen von Degerloch: Zwei gekreuzte Degen sollen in dem Ort einst über Freiheit oder Tod entschieden haben. Foto: Archiv Sorg

Zwar haben die Degen durchaus mit der Geschichte des Stadtbezirks zu tun, seinen Namen verdankt Degerloch aber seiner Umgebung.

Degerloch - Was haben die Degen mit Degerloch zu tun, und warum liegt der höchstgelegene Stadtbezirk Stuttgarts angeblich in einem Loch? Diese Fragen zum Ortsnamen haben sich schon viele Historiker gestellt – und auch eine Antwort gefunden.

Wer weit genug springen konnte, überlebte in Degerloch. Zwei gekreuzte Degen sollen in dem Ort einst über Freiheit oder Tod entschieden haben. In einem Brunnenschacht an der heutigen Karl-Pfaff-Straße halfen die beiden Stichwaffen bei einem schnellen Urteil. Wer geklaut, betrogen oder gemordet hatte, den ließ man über die Klingen springen. Für den Straftäter, der es bis auf die andere Seite des Brunnens schaffte, war es ein Sprung in die Freiheit, für die anderen war es das sichere Todesurteil, denn die Spitzen der Degen zeigten nach oben.

Ursprüngliche Bedeutung ist wohl eine andere

Die Sage über den Richterspruch mit Hilfe der Degen ist nur ein Hinweis auf den Namen des Ortes. Bis heute werden die Hiebwaffen mit Degerloch in Verbindung gebracht. Auf rotem Grund kreuzen sie sich im Wappen des Ortes. Doch deutet vieles darauf hin, dass das Symbol des Wappens in die Irre führt. Denn der Name Degerloch hat seinen Ursprung keineswegs in dem Wort Degen. Entstanden sind die Sage und das Symbol des Ortes wohl erst in einer Zeit, in der die eigentliche Bedeutung des Namens schon nicht mehr bekannt war. „Das früheste Wappen von Degerloch, das man kennt, ist auf einem Abendmahlkelch von 1648 zu sehen und wurde von dem Pfarrer Martin Bechler als Dank für den Frieden im Heiligen Römischen Reich nach 30 Jahren Krieg gestiftet“, sagt der Historiker Gerhard Raff. „Zu dieser Zeit kannte man den eigentlichen Ursprung des Namens noch nicht.“

Weitere Verwirrung bei dem einen oder anderen Bewohner oder Besucher von Degerloch dürfte die Silbe „loch“ stiften. Der Blick hinunter nach Stuttgart widerspricht dieser scheinbaren Lagebeschreibung, vor allem da Degerloch der höchstgelegene aller Stuttgarter Stadtbezirke ist. Also keineswegs in einem Loch liegt. Der höchste Punkt des Ortes, der Wasserturm, befindet sich sogar 485 Meter über dem Meeresspiegel. „Es soll schon Leute gegeben haben, die wollten den Ort umbenennen lassen“, sagt Raff. Die Antwort auf die Frage, warum die Silbe dennoch angehängt wurde, liegt in der Landschaft. Früher bedeutete die Endsilbe so viel wie Wald. Es wird damit also nicht die Lage, sondern die Umgebung beschrieben.

Es gab keinen Mann namens „Deger“

Diejenigen, die nach dem Sinn des Ortsnamens suchten, kamen immer wieder zu anderen Erklärungen. In der Ortsamtsbeschreibung von Stuttgart aus dem Jahre 1851 wird der Ortsname mit „Wald eines Deger“ übersetzt. Die Suche nach einem Mann mit Namen Deger, dem der Wald gehört haben könnte, blieb allerdings auch in späteren Jahren erfolglos. Auch das fehlende „S“ hinter Deger, wie es beispielsweise im Wort Karlshöhe zu finden ist, ließ die Historiker zudem an der Existenz des Mannes zweifeln.

Einen weiteren Versuch unternahm der schwäbische Heimatforscher Michael Richard Buck im Jahr 1881. Er schrieb im schwäbischen Flurnamenbuch über seine Beobachtung, dass alle Orte, die das Wort Deger im Namen hätten, eine Gemeinsamkeit teilen würden – und zwar Lehm und Schilf. An seiner Annahme orientierten sich die Herausgeber der Landesbeschreibung „Das Königreich Württemberg“. Degerloch wurde in diesem Buch als Schilf- oder Lehmwald erwähnt. Es blieb aber nicht bei diesem Namen, auch weil das Wort Deger keineswegs Schilf oder Lehm bedeutet.

Das Wort gab es bereits im Gotischen

Die Beschreibung war noch zu ungenau. Es wurde weitergeforscht und entdeckt, dass das Wort Deger bereits im Gotischen und später im Althochdeutschen existiert hatte. Das Eigenschaftswort kann mit den Worten stark oder umfangreich übersetzt werden. Setzte man die Wörter nun zusammen, ergab sich der Name starker oder umfangreicher Wald. Bis heute wird angenommen, dass diese Deutung die richtige ist. Dafür spricht, dass sich zwischen dem Nesenbach und Esslingen ein großer Wald ausgedehnt haben soll, und erst nachdem ein Teil davon gerodet wurde Platz genug war, um Degerloch zu gründen. Zu dieser Zeit entstand wohl auch der Name, der bis heute am Ortsschild zu lesen ist. Dass die Degen im Wappen Bäumen weichen müssen ist allerdings nicht anzunehmen.