Die Hanns-Martin-Schleyer-Halle ist nicht nur Stuttgartern ein Begriff. Foto: dpa/Franziska Kraufmann

Das Linksbündnis im Stuttgarter Gemeinderat will den Namen der Hanns-Martin-Schleyer-Halle auf den Prüfstand stellen. Der Sohn des ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Schleyer, Jörg Schleyer, empört sich über diese „Geschichtsklitterung der Linken“.

Stuttgart - Hanns Martin Schleyer ist eine Persönlichkeit der Zeitgeschichte. Die Hanns-Martin-Schleyer-Halle ist nicht nur vielen Stuttgartern ein Begriff. Doch um diesen Namen und um Schleyers NS-Vergangenheit gibt es nun neuen Streit: Jüngst hat das Linksbündnis, das aus den Linken, dem Bürgerbündnis SÖS, den Piraten und der Tierschutzpartei besteht, in einem Antrag dem Gemeinderat vorgeschlagen, den Namen der Halle kritisch zu hinterfragen.

Darauf hat nun der aus Stuttgart stammende Jörg Schleyer, Sohn von Hanns Martin Schleyer, wütend reagiert: „Die, die den Terroristen in der DDR Zuflucht gegeben und sie auch noch unterstützt haben. Es ist eine Schande, dass ausgerechnet die einen solchen Antrag stellen“, hatte der 66-Jährige gegenüber der „Bild“-Zeitung gesagt.

In die SS eingetreten

Das hat wiederum Martin Eickhoff, stellvertretender Bezirksbeirat des Linksbündnisses, nicht ruhen lassen. In einer Antwort schreibt er unter anderem: „Jörg Schleyer soll sich lieber mit der eigenen Familiengeschichte kritisch auseinandersetzen, statt blind auf linke Menschen eindreschen.“ Darauf folgen Ausführungen darüber, wie sich Hanns Martin Schleyer als Arbeitgeberpräsident und Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG unrühmlich verhalten und welche Rolle er in der Zeit des Nationalsozialismus gespielt habe.

Es ist ein aufgewühlter Diskurs. Doch warum ist Hanns Martin Schleyer umstritten? Der spätere Industriemanager Schleyer trat unter Adolf Hitler in die SS ein. Dort brachte er es bis zum Hauptsturmführer, wurde aber im Entnazifizierungsverfahren 1948 nur als „Mitläufer“ eingestuft. Was folgte, war eine steile Karriere in der deutschen Wirtschaft. Im Herbst 1977 wurde Schleyer von Terroristen der linksextremistischen Rote Armee Fraktion (RAF) entführt und ermordet.

„Es geht mir hier nicht um Vertuschung“

Sein Sohn Jörg Schleyer lebt derzeit in Berlin und arbeitet dort als Berater. Was sagt er zu den Äußerungen Eickhoffs? „Der Grund, warum ich mich überhaupt dazu geäußert habe, ist, dass mich die Geschichtsklitterung der politischen Linken sehr ärgert.“ Einer Aufarbeitung von historisch belasteten Namen, wie vom Linksbündnis im Antrag gefordert, stehe er gar nicht entgegen. „Das dürfen sie doch machen. Es geht mir hier nicht um Vertuschung“, so Jörg Schleyer.

Auf der anderen Seite müsse sich das linke Spektrum aber ebenso hinterfragen. Beispielsweise, wenn es um den KPD-Funktionär Ernst Thälmann gehe, der vor allem im Osten Deutschlands noch auf vielen Straßenschildern prangt. Das gehöre ebenfalls beleuchtet. Ernst Thälmann schreckte 1931 unter anderem nicht davor zurück, zusammen mit der NSDAP gegen die Sozialdemokraten, in seinen Worten „Sozialfaschisten“, zu kämpfen. Später wurde er von den Nazis ermordet. Und was sagt Jörg Schleyer zu seinem Vater Hanns Martin Schleyer? „Es ist ja alles bekannt über meinen Vater, jeder weiß, welche Rolle er gespielt hat. Und viele wissen, dass er niemanden umgebracht hat.“ Außerdem sei das auch Teil der deutschen Geschichte. „Stellen Sie sich vor, in Frankreich würden alle Napoleon-Straßen umbenannt werden“, führt Jörg Schleyer an. „Ich hasse diese Geschichtsverleugnung.“

Aufarbeitung als gemeinsames Ziel

Zugeben muss aber auch Schleyer, dass die Benennung von Straßen, Gebäuden oder Plätzen nach Persönlichkeiten immer mit einer Ehrung derselben einhergeht. Und so sind sich beide Streitparteien zumindest in einem Punkt einig: An Aufarbeitung führt kein Weg vorbei. Die Meinung der anderen Stuttgarter Gemeinderatsfraktionen zum Antrag des Linksbündnisses ist geteilt. Während die Grünen beispielsweise der Idee sehr aufgeschlossen gegenüber stehen, sieht unter anderem die CDU den Vorstoß eher kritisch. In der Vergangenheit sind in Stuttgart schon häufiger Orte oder Straßen umbenannt worden. Im Jahr 2008 wurde beispielsweise die Leutweinstraße in Obertürkheim zur Straße Am Weinberg. Theodor Leutwein war maßgeblich an der kolonialen Unterdrückung Namibias durch das damalige Deutsche Reich beteiligt gewesen.