Der Gewerbeverein fordert, dass der Leonhard-Schmidt-Platz schöner wird. Foto: Maira Schmidt

Die Gewerbetreibenden klagen über einen Verfall des Bezirks. Mit einem Forderungspapier haben sich die Geschäftsleute aus Untertürkheim an die Politik gewandt.

Untertürkheim - In der Widdersteinstraße stehen immer mehr Geschäfte leer. Spielhallen, Imbiss-Buden und Sportwetten-Büros sprießen wie Pilze aus dem Boden. Der Bahnhof fungiert als schmuddeliges Eingangstor. Seit Jahren klagen die Gewerbetreibenden über den Verfall ihres Bezirks. Jetzt haben sie einen neuen Versuch unternommen, um die Politik auf das Problem aufmerksam zu machen.

Nicht nur Stadträte, Stadtteilmanager Torsten von Appen und die Bundestagsabgeordnete Karin Maag (CDU) waren der Einladung des Industrie-, Handels- und Gewerbevereins (IHGV) Untertürkheim gefolgt. Auch Bezirksbeiräte, Bezirksvorsteher Klaus Eggert sowie einige Bewohner des Bezirks nahmen an dem Spaziergang durch den Ort teil. Bei einem anschließenden Gedankenaustausch in einem italienischen Feinkostgeschäft übergaben die Geschäftsleute den Politikern ein sechs Punkte umfassendes Forderungspapier.

Treffpunkt war aber zunächst der Carl-Benz-Platz. Von dort aus ging es durch die S-Bahn-Unterführung in Richtung Stadtbezirk. Hunderte von Schülern des Lindenschulzentrums sowie die Mitarbeiter des Daimler-Werks würden die Unterführung täglich passieren, sagte der Gewerbevereinsvorsitzende Markus Krautter. Grünen-Bezirksbeirat Martin Glemser ergänzte: „Wer in Untertürkheim wohnt und den Nahverkehr nutzt, muss hier durch.“ Diese zentrale Bedeutung eines Bahnhofsgebäudes sei in Stuttgart einmalig.

Stadt soll erneut eine Kaufoption für den Bahnhof prüfen

Die Unterführung ist ungepflegt, die Bahnhofsimmobilie in einem schlechten Zustand. Wo einst die Post und das Fernmeldeamt untergebracht waren, reihen sich heute Spielcasinos an Imbiss-Buden. Von Denkmalschutz keine Spur, die historischen Holzfenster wurden einfach herausgerissen, wie Eberhard Hahn, der ehemalige Vorsitzende des Bürgervereins erzählte.

In ihrem Forderungspapier weisen die Geschäftsleute daraufhin, dass die Stadt die Chance verpasst habe, den Bahnhof zu kaufen und für den Einzelhandel zu nutzen. Ein privater Investor hatte die Immobilie vor rund 15 Jahren von der Bahn erworben. Das Gebäude wurde später weiterverkauft. Die Gewerbetreibenden fordern, dass die Stadt erneut eine Kaufoption prüft. Zudem soll die Einhaltung des Denkmalschutzes stärker kontrolliert und die Unterführung ansprechender gestaltet werden. Selbiges gilt für den Bahnhofsvorplatz und den Leonhard-Schmidt-Platz. Vom Bahnhofsvorplatz machte sich die Gruppe auf den Weg in Richtung Storchenmarkt und schließlich hinauf in die Widdersteinstraße. Der Gewerbeverein wünscht sich, dass das Einkaufsquartier als eine Art „Bürgertreff“ aufgewertet wird.

Ausbau der touristischen Stärke Untertürkheims

Während des Spaziergangs machten die Geschäftsleute immer wieder auf die vielen Spielhallen aufmerksam. Drei Spielotheken gibt es in Untertürkheim offiziell. Gefühlt sind es weitaus mehr, was laut den Gewerbetreibenden der Regelung, dass Kneipen mit nur drei Spielautomaten nicht als Vergnügungsstätten gelten, geschuldet ist. Diesen Eindruck bestätigten auch die Stadträte. „Wir sind an mindestens zehn Spielhallen vorbeigelaufen, das kann kein Vorortzentrum verkraften“, sagte Stadtrat Vittorio Lazaridis (Grüne). Marita Gröger (SPD) regte an, dass die Geschäftsleute den Kontakt zu den Hauseigentümern suchen, die ihre Immobilien an die Spielhallen-Betreiber vermieten. Nur gemeinsam könne man die Entwicklung stoppen.

Die zunehmende Zahl an Spielotheken ist jedoch nicht das einzige Problem der Geschäftsleute. Sie berichten auch von einem sich ausbreitenden Drogenhandel. Eine Geschäftsfrau erzählte, dass sie sich abends manchmal nicht aus ihrer Werkstatt traue, weil unmittelbar davor mit Drogen gedealt werde. Die Gewerbetreibenden fordern mehr Polizeipräsenz im Bezirk.

Schließlich umfasst die Liste noch einen Ausbau der touristischen Stärke Untertürkheims sowie eine Aufwertung der Schiffsanlegestelle. Hinweisschilder könnten Besucher auf Sehenswürdigkeiten wie die Grabkapelle aufmerksam machen.

Beim Abschlussgespräch betonte Krautter wie ernst die Situation ist: „Die Nahversorgung ist akut in Gefahr.“ Wenn ein Geschäft leer stehe, gelinge es oft nicht, einen Nachfolger zu finden. Untertürkheim sei früher ein florierender Bezirk gewesen. Viele Daimler-Arbeiter hätten dort eingekauft, heute komme kaum noch einer. Die Geschäftsleute wünschen sich mehr Hilfe von Politik und Verwaltung. Neidisch blicken sie ins benachbarte Fellbach, nicht nur, weil dort viele ihrer ehemaligen Kunden einkaufen. Die Gewerbetreibenden würden auch stärker von der Gemeinde unterstützt. Stuttgart konzentriere sich hingegen immer nur auf die Stadtmitte.