Die Bewohner des Stadtteils Foto:  

Die Nahversorgung im Cannstatter Stadtteil Birkenäcker hat sich deutlich verschlechtert. Das hat auch die Stadtverwaltung erkannt. Anwohner und Verantwortliche haben jetzt verschiedene Verbesserungsvorschläge diskutiert.

Bad Cannstatt - Über die Frage, zu welchem Bezirk sie sich zugehörig fühlt, muss Ursula Ihme nicht lange nachdenken. „Wir sind Cannstatter“, sagt sie. Die 92-Jährige wohnt an der Darmstädter Straße im Stadtteil Birkenäcker. Am Montag hat sie mit anderen Anwohnern, Vertretern der Sozialen Stadt, der Wirtschaftsförderung und anderen Verantwortlichen aus dem Bezirk über die Nahversorgung in den Stadtteilen Birkenäcker und Hallschlag diskutiert.

Seit die U 12 fährt, hat sich der Busfahrplan geändert

Denn seit einiger Zeit ist es für Ursula Ihme schwierig geworden, mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis ins Zentrum von Bad Cannstatt zu gelangen. Seit die U 12 bis zum Hallschlag fährt, hat sich der Busfahrplan geändert (wir berichteten). Die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) verfolgen den Grundsatz, Busse und Bahnen nicht parallel laufen zu lassen. Deshalb fährt die Buslinie 55 von Bad Cannstatt nicht mehr zum Nordbahnhof. Für die Bewohner des Gebiets rund um die Darmstädter Straße bedeutet das, dass sie keine direkte Verbindung mehr zum Hallschlag und nach Bad Cannstatt haben. Supermärkte, Banken oder Ärzte sind für sie nur mit mehrmaligem Umsteigen erreichbar. Für ältere Leute oder Menschen ohne Auto ist das ein Problem. „Das ist, als wenn wir Menschen zweiter Klasse sind“, ärgert sich Erika Lenz, die an der Darmstädter Straße wohnt. Hinzu kommt, dass der Bau- und Wohnungsverein Stuttgart 90 weitere Wohnungen in diesem Gebiet plant.

Doch es ist nicht allein der geänderte Busfahrplan, der den Anwohnern zu schaffen macht. Generell hat sich die Nahversorgung in dem Gebiet verschlechtert. Der kleine Lebensmittelladen an der Ecke Sparrhärmlingweg/Darmstädter Straße hat geschlossen und an der Straße Am Römerkastell ist der Penny-Markt verschwunden, um nur zwei Beispiele zu nennen. Für den Hallschlag selbst ist die schlechte Versorgungslage nur ein vorübergehendes Problem.

Sie haben keine direkte Verbindung mehr zum Hallschlag

Im Herbst beginnen die Bauarbeiten im Römerkastell. Dort soll eine große Einzelhandelsfläche entstehen. Mit dem Ankermieter, einem Lebensmittelmarkt, stehe man kurz vor dem Vertragsabschluss, sagte Simone Merkle von der MKM Römerkastell. Den Anwohnern an der Darmstädter Straße hilft das aber nicht. Sie haben keine direkte Verbindung mehr zum Hallschlag. Hier müssen andere Lösungen her, das hat auch die Stadtverwaltung erkannt. Sie hat am Dienstag im Technischen Ausschuss des Gemeinderats ein Gutachten zum Thema Nahversorgung präsentiert. In einigen Gebieten wird die Versorgungssituation als prekär eingestuft, darunter der Burgholzhof und auch der Stadtteil Birkenäcker. Hier sollen verschiedene Maßnahmen wie die Ansiedlung eines Lebensmittelhändlers, eines Cap- oder Bonusmarktes oder Angebote wie mobile Händler oder Wochenmärkte geprüft werden.

Die Diskussionsteilnehmer haben am Montag auch die Einrichtung eines Ortsbusses diskutiert, der die Anwohner samstags zum Einkaufen bringt. Ein Wochenmarkt auf dem Gelände der GWG an der Rostocker Straße wurde ebenfalls angesprochen. Stadtteilmanager Torsten von Appen betonte aber, dass auch der Kunde eine Mitverantwortung habe. „Der Bürger muss 1750 Euro im Jahr in einem Markt ausgeben“, sonst rentiere sich ein Standort selbst für einen Filialisten nicht, rechnete der Stadtteilmanager vor. „Es liegt am Einkaufsverhalten“, sagte auch Bezirksbeirat Peter Mielert (Grüne). Insbesondere bei den kleinen Läden müsse am Ende des Tages jemand von den Einnahmen leben können. Da konnte Ines Meyer-Boockhoff vom Plattsalat, einem Mitgliederladen, der vor allem von Ehremamtlern betrieben wird, nur zustimmen. Für kleine Läden „ist es extrem schwierig“ sagte sie. Die Menschen müssen eben auch vor Ort einkaufen, sonst nützet die beste Idee nichts.