Bis vor zwei Jahren konnten Wolfbusch-Anwohner in Aki’s Hubertusmarkt Lebensmittel einkaufen. Seit er geschlossen wurde, gibt es in dem Weilimdorfer Stadtteil keinen Laden mehr. Doch Foto: Archiv Schüler

In manchen Bezirken gibt es laut einer Studie zu wenig Einkaufsmöglichkeiten. Bürger vor Ort haben einige Ideen, wie die Situation verbessert werden könnte.

Feuerbach/Weilimdorf - „Es gibt Stadtteile in Stuttgart, in denen die Nahversorgung katastrophal ist“, sagt Jochen Heidenwag. Der Vorsitzende des Gewerbe- und Handelsvereins (GHV) Feuerbach bezieht sich auf eine Studie der Beraterfirma CIMA, die im Auftrag der Stadtverwaltung erarbeitet wurde (die Nord-Rundschau berichtete). Das Ergebnis überrascht ihn keinesfalls. Allerdings hat sich Heidenwag schon etwas gewundert, dass der Bereich Lemberg/Föhrich in der Liste der zwölf größten sogenannten Defiziträume der Landeshauptstadt auftaucht. „Nicht, weil da die Versorgung so gut ist, sondern weil wir mit dem Ortsbus dorthin fahren“, sagt der GHV-Vorsitzende. „Und bei größerem Bedarf könnten wir die Route auch noch verändern.“ Derzeit fahre man ins Zentrum über die Linzer und Bubenhaldenstraße, käme an der Tannenäckerstraße und auch im Föhrich vorbei. Und das an fünf Tagen die Woche.

„An uns ist von den Bürgern aber noch nicht der Wunsch herangetragen worden, in diesem Bereich öfter zu fahren oder andere Straßen anzusteuern“, sagt Heidenwag. Er gehe davon aus, dass sehr viele Menschen in diesem Gebiet mit dem Auto zum Einkaufen unterwegs sind. Anders ginge es wohl auch kaum. Der nächste Supermarkt sei sehr umständlich zu erreichen. Laut Routenplaner liegt dieser Discounter etwa 1,3 Kilometer, rund 20 Gehminuten, entfernt an der Thomas-Mann-Straße. Eine andere Option wäre der Supermarkt an der Ecke Stuttgarter/Hohewartstraße. Aber auch dorthin benötigt man zu Fuß etwa 25 Minuten.

Ideen gibt es viele

Die Stadtverwaltung prüft nun, ob im Gebiet Lemberg/Föhrich ein kleiner Lebensmittelladen oder sogenannte fliegende Händler Sinn machen würden. „Ich bin da eher skeptisch“, sagt Heidenwag. Wenn dort nämlich nur das vergessene Pfund Butter gekauft werde, könne es zum Überleben nicht reichen. Heidenwag geht eher davon aus, dass es besser sei, im Bereich Mobilität etwas zu verbessern. Die Stuttgarter Straße sei einfach zu anziehend. Die sogenannten Ankerläden, wie sie die großen Supermärkte darstellen, seien alle rund um die Feuerbacher Einkaufsmeile zu finden. „Dort haben sich auch die Arztpraxen und Banken angesiedelt.“ Und schließlich gehe es beim Einkaufen auch um die soziale Komponente: „Vor allem die älteren Menschen wollen auch mal ein Schwätzchen halten und einen Kaffee trinken“, sagt Heidenwag. Auch da sei die Infrastruktur im Zentrum Feuerbachs einfach besser. Jochen Heidenwag könne sich vielmehr vorstellen, dass vielleicht ein Bring-Dienst der Einzelhändler eine Lösung sei. Da müsse man aber erst klären, ob es Geschäfte gebe, die gegen eine kleine Servicegebühr die Waren auch nach Hause liefern würden.

Vor 30 Jahren gab es in Bergheim zwei Supermärkte

„Bei uns ist die Nahversorgung miserabel, vor allem für ältere Leute“, sagt Jürgen Koch, der stellvertretende Vorsitzende der Einwohnervereinigung Bergheim. Mittlerweile gebe es im Stadtteil nur noch eine Bäckerei und einen Pizzaservice, die fußläufig erreichbar seien. Das sei nicht immer so gewesen: Vor etwa 30 Jahren habe es vor Ort noch zwei Lebensmittelmärkte gegeben, außerdem zwei Metzgereien sowie einen weiteren Bäcker. „Da hat man gut eingekauft“, erinnert sich der 56-Jährige, der in Bergheim aufgewachsen ist. Für seine 84-jährige Mutter, die nicht mehr gut zu Fuß ist, sei die fehlende Nahversorgung besonders schlimm. Jürgen Koch erledigt für sie alle Einkäufe. „Wenn ich meinen Sohn nicht hätte, würde ich verhungern“, sagt Elfriede Koch. Für Großeinkäufe fährt Jürgen Koch meistens bis nach Feuerbach, kleinere Erledigungen besorgt er auch in Giebel oder Weilimdorf. Dass es kleine Lebensmittelmärkte mitunter nicht leicht haben, kann Jürgen Koch verstehen. „Ich sehe die Problematik. Die Preise können natürlich nicht wie bei einem Discounter sein“, sagt der Bergheimer. „Für Händler ist es daher schwierig.“ Was in seinen Augen aber gut funktionieren könnte, wäre ein mobiler Service: „Ein Essenswagen, der ein- bis zweimal in der Woche kommt und das nötigste dabei hat wie Brötchen, Obst oder Dosen. Ich denke, das könnte funktionieren.“ Dann würden die Bergheimer auch wieder mehr Gelegenheit zu einem Schwätzle finden, „denn unter der jetzigen Situation leidet auch die Kommunikation.“

Im benachbarten Stadtteil Wolfbusch ist die Versorgung ähnlich schlecht. Seit der kleine Lebensmittelladen „Aki’s Hubertusmarkt“ vor zwei Jahren geschlossen wurde, gibt es im Wohngebiet keine Einkaufsmöglichkeit mehr. Auch der Bäcker schloss vor etwa einem Jahr. „Man ist vollkommen abhängig vom Ortsbus“, sagt Klaus Hettegger, der Vorsitzende der Siedlergemeinschaft Wolfbusch. „Der funktioniert zwar, aber es ist nicht dasselbe.“

Schlange stehen beim Metzger

Immerhin ein Angebot gebe es aber seit kurzem vor Ort: Einmal in der Woche kommt ein Metzger an den Hubertusplatz und verkauft aus seinem Wagen heraus. „Das wird extrem gut angenommen. Da muss man Zeit mitbringen, weil man schon mal in der Schlange stehen muss“, erzählt Hettegger. Dass der Verkauf so gut laufe, liege auch daran, dass der Metzger sich mit allen Kunden freundlich unterhalte und Tipps zum Fleisch gebe.

Dass sich irgendwann wieder ein Händler findet, der einen Lebensmittelmarkt im Wolfbusch führen würde, wagt Hettegger nicht zu hoffen. Eine andere Idee hält er hingegen für realistischer, nämlich einen vereinsgeführten Tante-Emma-Laden zu eröffnen, in dem die Anwohner selbst mit anpacken. Vorbilder gebe es dafür deutschlandweit viele. Einziger Haken: „Es braucht jemanden, der das organisiert. Im Moment gibt es keinen, der es umsetzen würde.“