Raus aus dem Depot, rauf auf die Straße: Die IHK wünscht sich mehr Buslinien und einen Ringverkehr rund um Stuttgart. Foto: dpa

HK und Verkehrsbetriebe peilen mehr Kapazität im Nahverkehr an – Geld dafür wird immer knapper.

Stuttgart - Viele Anzeichen deuten darauf hin: Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in der Region ist gut ausgelastet, zeitweise überlastet. Der Verkehrs- und Tarifverbund (VVS) und die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) räumen es immer öfter ein, drücken es nur anders aus: Das System stoße an Grenzen. Wenn man aber wirtschaftliches Wachstum und Sicherung des Wohlstands in der Region wolle, „muss der Verkehr mitwachsen“, sagt Andreas Richter, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart.

Um die Herausforderung zu bewältigen, brauche man ein „integriertes Verkehrskonzept“, in dem alle Spielarten des Verkehrs zusammengedacht würden, sagte Richter unserer Zeitung. Stuttgart beschäftige zwar einen Fahrradbeauftragten, aber leider keinen Beauftragten für den Wirtschaftsverkehr. Und in der Region „fehlt ein wenig ein konstruktiver Dialog über ein Konzept der Zukunft“. Der Verband Region Stuttgart (VRS) habe in den vergangenen anderthalb Jahren eine unbefriedigende Rolle gespielt.

SSB-Vorstand: Mehr Busspuren und Bevorrechtigung von Bussen im Stadtverkehr

Auch bisher weniger verfolgte Ansätze müsse man weiterdenken, um den für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter wichtigen ÖPNV zu stärken. Zum Beispiel die Idee eines Omnibus-Ringverkehrs um Stuttgart herum. Die Busse sollen wichtige Orte in der Region miteinander verbinden und so dafür sorgen, dass weniger VVS-Fahrgäste durch das Nadelöhr der Stuttgarter Innenstadt müssen, wenn dort gar nicht ihr Ziel ist. Dieser Busverkehr wäre billiger als zusätzliche Tangentiallinien für die S-Bahn. Den Buseinsatz könne man flexibel regeln. Darin sieht Richter einen Ausweg für die nächsten Jahre, ja Jahrzehnte, in denen neue S-Bahn-Projekte schwer zu stemmen sein dürften.

An mehr Busverkehr denkt auch SSB-Vorstand Wolfgang Arnold, falls man die ÖPNV-Kapazität merklich aufstocken möchte. Arnold hat allerdings regionale Buslinien von und zur Stuttgarter Innenstadt im Sinn. Dann aber, meint der VVS-Geschäftsführer Horst Stammler ähnlich wie Arnold, bräuchte man mehr Busspuren und Bevorrechtigung von Bussen im Stadtverkehr. Stammler hat ebenfalls mehr die „radialen“, also die durch Stuttgarts Zentrum führenden Linien im Blick, weil dort die großen Verkehrsströme seien. Mit der Eröffnung der S-Bahn-Linien 60 und 4 (Böblingen–Renningen sowie Marbach–Backnang) noch 2012 schaffe man aber auch Tangentiallinien. Einer Ringbuslinie zieht Stammler einzelne Bustangenten vor. Auf der Schiene könne man die Menschen zahlreicher und schneller transportieren – und manchmal seien Bestandteile der Trassen schon existent. Trotzdem ist viel Geld nötig.

Die finanziellen Möglichkeiten im ÖPNV drohen aber dahinzuschmelzen wie Butter in der Sonne. Der Bund beabsichtigt, sich 2014 kontinuierlich und Ende 2019 komplett aus der Förderung von Verkehrsprojekten im Sinne des früheren Gemeindeverkehrs-Finanzierungsgesetzes zurückzuziehen. Und 2014 droht auch ein Einschnitt bei den Regionalisierungsmitteln, die der Bund den Ländern für den Bahnbetrieb gibt. „Die Kunden bezahlen schon jetzt jedes Jahr mehr, also brauchen wir ein neues Finanzierungsinstrument“, sagt Stammler. Dabei denkt er an die Autobahnmaut für alle. Die IHK plädiert auch dafür, will sie aber nur zugunsten des Straßenverkehrs und mit Ausgleich bei der Kfz-Steuer. Eine Nahverkehrsabgabe von Unternehmen einzuführen, lehnte die IHK bisher ab. Wenn die Pendler nur dadurch weiterhin zur Arbeit gelangen könnten, werde die Wirtschaft vielleicht auch diese Kröte schlucken, sagte Richter – „aber zweckgebunden und nicht als zusätzliche Belastung“. Wichtig ist ihm, dass in der Region vor 2014 bestimmt wird, welchen ÖPNV man will und wofür man wie viel Geld benötigt.