Die Umleitung der S-Bahn während der sommerlichen Sperrung des Innenstadttunnels hat Spuren an den eingesetzten Zügen hinterlassen. Auch wenn die Reparatur im Werk in Plochingen auf Hochtouren läuft, sind immer noch zehn Züge nicht einsatzbereit.
Im S-Bahn-Werk in Plochingen wird rund um die Uhr gearbeitet. Zur gewöhnlichen Instandhaltung der S-Bahn-Flotte kommen derzeit noch Sonderaufgaben hinzu. Der Umleitungsverkehr über die Panoramastrecke zwischen Nordbahnhof und Vaihingen, mit dem in den vergangenen zwei Sommerferienperioden die Sperrung des Innenstadttunnels umgangen werden sollte, hat gravierende Folgen. 17 Züge waren danach nicht mehr fahrbereit, davon warten zehn bis heute auf ihre Wiederinbetriebnahme. Dafür müssen die Männer und Frauen im S-Bahn-Werk ranklotzen.
Schäden können vor Ort behoben werden
„Bei den Fahrzeugen ist der Austausch der Radsätze zwingend erforderlich“, sagt Marcus Kreutzberger. Der technische Betriebswirt ist Leiter des Fahrzeugmanagements bei der S-Bahn Stuttgart. Ein Radsatz besteht aus der Achse, den beiden Rädern, Federn, die den Fahrkomfort erhöhen, und dem Antrieb. Anderthalb Tonnen bringt das Bauteil auf die Waage. Damit Alt gegen Neu getauscht werden kann, muss der gesamte S-Bahn-Zug in die Höhe gehievt werden. Das Werk in Plochingen ist dazu technisch in der Lage – was sich nun als weitsichtig erweist. Andernfalls hätten die Züge in andere Werkstätten der Deutschen Bahn geschleppt werden müssen. Wegen ihrer Schäden wäre das aber nur mit eingeschränkter Geschwindigkeit möglich gewesen.
Aus den in den vergangenen zwei Umleitungsperioden verursachten Schäden an den Fahrzeugen zieht die Deutsche Bahn nun Konsequenzen. „Die Infrastruktur gibt eine Nutzung der Panoramabahn für die Umleitung der S-Bahnen nicht mehr her“, sagt Dirk Rothenstein, der Chef der Stuttgarter S-Bahn. Stattdessen sollen während der nächsten Tunnelsperrung in der Zeit vom 29. Juli bis Freitag, 8. September, vier Doppelstockwagen und eine Lok zwischen dem Hauptbahnhof und Vaihingen pendeln. Das ist ein Waggon mehr, als im vergangenen Jahr eingesetzt wurde, als das Problem mit dem hohen Verschleiß an den S-Bahn-Zügen bereits zum zweiten Mal in Folge aufgetreten war.
Pendelzug im 30-Minuten-Takt
Mit dem Pendelzug, für den im DB-Konzern noch die passenden Fahrzeuge gefunden werden müssen, ist ein 30-Minuten-Takt möglich. Der soll durch Expressbusse verdichtet werden. Für die Fahrgäste bedeuten beide Varianten, dass sie häufiger umsteigen müssen und länger unterwegs sind. Die Details des Umleitungskonzepts stellen Vertreter der Deutschen Bahn an diesem Mittwoch im Verkehrsausschuss der Regionalversammlung vor. Die Region bestellt und bezahlt den S-Bahn-Verkehr.
Normaler Schwund am Rad
Dass sich die Räder der Züge beim Einsatz abnutzen, ist nicht ungewöhnlich. Allerdings alarmierte das Ausmaß des Materialschwunds die Experten der Bahn. Um bis zu 35 Millimeter schrumpft der Radius eines Rades im Laufe des Einsatzes. In regelmäßigen Abständen steht eine sogenannte Reprofilierung an, das heißt, die ursprünglich einmal einen Durchmesser von 85 Zentimetern aufweisenden Räder bekommen wieder ihre alte Form zurück. Ist der Rückgang des Radius um 35 Millimeter erreicht, wird das Rad aussortiert. „Normalerweise ist das nach 1,6 Millionen Kilometern der Fall. Das dauert in der Regel zwischen acht und zehn Jahren“, sagt Kreutzberger.
Auf diese Zyklen ist auch der Vorrat an Radsätzen ausgelegt. Durch die Schäden in den vergangenen zwei Sommern ist der Bedarf aber schnell und merklich nach oben gegangen. „Die Lieferzeit für einen neuen Radsatz liegt bei rund einem Jahr“, sagt Dirk Rothenstein. Zu lange für die Stuttgarter S-Bahn-Flotte, bei der wegen der Schäden etwas mehr als 100 dieser Bauteile ausgetauscht werden müssen. Deswegen setzt die Bahn auf eine grundlegende Erneuerung der Radsätze statt auf Neuanschaffung. Aber auch dafür müssen fünf Wochen eingerechnet werden – die Zeiten der Demontage und Montage sowie des Versands kommen noch obendrauf. Sind die neuen Teile eingetroffen, rechnen die Fachleute in Plochingen mit rund einer Woche Arbeitszeit, ehe ein S-Bahn-Zug wieder auf neuen Rädern steht. Dem schließen sich Erprobungsfahrten an. Erst danach kann das Fahrzeug wieder Passagiere im 215 Kilometer langen Streckennetz transportieren. Mit dem Verzicht auf den Umleitverkehr via Panoramastrecke soll verhindert werden, dass weitere Fahrzeuge beschädigt werden.